Horai, gegründet 1984, ist wohl einer der kleinsten Grossisten der Schweiz und versteht sich als Vermarktungs- und Verteilplattform für regionale Bioprodukte im Raum Bern. Regionalität war von Beginn an ein wichtiger Teil der Betriebsstrategie: So setzt Horai zu einem grösseren Teil auf Produzent/innen aus dem Umkreis von Bern, auf lokale Vermarktung und kurze Transportwege, viele Kundensegmente und auf den persönlichen Kontakt zu den Kunden. Die Aktiengesellschaft, die voll in den Händen der Produzent/innen, Kund/innen und Mitarbeitenden ist, wollte nie stark wachsen oder national tätig sein. Umso wichtiger ist für sie die Nähe zur Stadt Bern. Mitten im Geschehen zu sein ist zwar eine grosse Herausforderung, bringt aber den Kontakt zu neuen innovativen Projekten und die Möglichkeit, neue Kundensegmente zu erschliessen.

Steckbrief

Name:  Horai
Link:  www.horai.ch 
Ort:  neu seit 2018 in Fraubrunnen, BE; bis 2018 in der Stadt Bern
Rechtsform:  Aktiengesellschaft, Aktien sind im Besitz der Produzent/innen, Kund/innen und Mitarbeitenden; Produzent/innen und Lieferant/innen: 50,5%, Mitarbeitende: 24,0%, Kund/innen der Horai AG 14,5%, Diverse 11%
Mitarbeitende:  18 Mitarbeitende, 14 Vollzeitstellen
Grösse:  Grossist mit einem Jahresumsatz von ca. 7,8 Mio CHF
Landwirtschaftszone: nein

Aktivitäten

Das Verteilgebiet von Horai erstreckt sich auf den ganzen Kanton Bern. Dieses wurde mit der Zeit immer besser durchdrungen, wobei Horai im ländlichen Raum manchmal an Grenzen stösst, da die Belieferung einzelner Orte wirtschaftlich gesehen nicht interessant ist. Circa 60% der Kundschaft ist städtisch. Knapp 2/3 der Kunden sind Bio-Läden, dazu kommen Gastronomie, kleinere Gemeinschaftsgastronomie, Heime und – vor allem in Zeiten, in denen es wenig Gemüse gibt – Marktfahrer und Hofläden. Auch Hauslieferdienste gehören zur Kundschaft von Horai, Privathaushalte jedoch nicht.
Zu den Produzenten gehören Bauern, Molkereien, Tofuhersteller etc. Etwa zwei Drittel davon sind aus einem Umkreis von 40 bis 50 Kilometer rund um Bern, wobei es leichte saisonale Schwankungen gibt. Ergänzt wird das Angebot durch Produkte von überregionalen, grösseren Produzenten. Dies ist nötig, um Liefermengen garantieren zu können. So kann eine Kleinmolkerei beispielsweise nicht alleine die geforderte Menge Rahm anbieten.
Horai setzt nicht auf grosse Expansion, Wachstum im kleinen Stil ist aber wichtig, um überleben zu können – ganz nach dem Motto „klein aber fein“. Dieses erfolgt vor allem über eine bessere Durchdringung des Verteilgebiets, etwa durch neue Kunden wie Caterer oder Gastronomiebetriebe. Gerade in diesem Bereich tut sich viel in der Stadt Bern und es ist wichtig für Horai, am Ball zu bleiben und mitten im Geschehen zu sein. Denn viele der neuen Projekte, die auf regionale Kulinarik setzen, sind potenziell auch neue Kundschaft für Horai. Überhaupt setzt der Grossist sehr auf den persönlichen Kontakt und die Nähe zur Kundschaft. Dafür sind die Mitarbeitenden zentral. Das zeigt sich auch in der Mitarbeiterstruktur: rund ein Drittel der Mitarbeitenden ist direkt aus der Stadt Bern.

Wer arbeitet mit?

Markus Keller ist seit 1995 Geschäftsführer von Horai. Der Quereinsteiger, der eigentlich Strafrecht und Psychologie studierte, hatte ursprünglich nicht vor, so lange bei Horai zu bleiben. Doch der spannende Job hat ihn schliesslich sogar dazu gebracht, seine Studien an den Nagel zu hängen.
Nebst dem Geschäftsführer gibt es Mitarbeitende für den Einkauf, den Verkauf, das Lager sowie die Chauffeure. Wobei Horai sehr darauf achtet, dass eine Person mehrere Segmente abdecken kann. Ein Kunde sollte bei Horai immer bei einer kompetenten Person landen, was zwar höhere Anforderungen an die Mitarbeitenden, aber auch mehr Eigenverantwortung mit sich bringt. Die flache Hierarchie, eher informelle Entscheidungsstrukturen ebenso wie der hohe Anteil an Mitarbeitenden aus den Gebieten, wo Horai tätig ist, machen sich im Sinne einer möglichst grossen Nähe zur Kundschaft und persönlicher Beziehungen zu den Kunden und Lieferanten für das Unternehmen aber sicher bezahlt.
Der Verwaltungsrat ist mit derzeit zwei Vertretern der landwirtschaftlichen Produzenten, dem Treuhänder und dem Geschäftsführer eher schlank. Für Markus Keller ist das gut so, um auf Basis von Argumenten und nicht aufgrund von Mehrheiten Entscheidungen fällen zu können.

Geschichte und Zukunft

Horai entstand 1984 aus einer Idee am Küchentisch. Damals fehlte in Bern eine Handelsstruktur mit Nähe zur Landwirtschaft. Erstes Produkt war Demeter-Quark. Der Wunsch, diesen vom biodynamischen Niederried-Betrieb im Emmental zu den Kundinnen und Kunden in der Stadt zu bringen, gab den Anstoss dafür, über die Gründung einer Vermarktungs- und Verteilplattform für biologisch hergestellte Lebensmittel im Raum Bern nachzudenken.
Das Unternehmen wurde als Kollektivgesellschaft gegründet, 1993 aber in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Als sich vor einigen Jahren einer der beiden Firmengründer zurückzog und seine Aktien zum Verkauf anbot, ergab sich die Gelegenheit, die Aktionärsstruktur neu zu gestalten: Seither ist das Unternehmen in der Hand der Produzierenden, Mitarbeitenden und Kundinnen und Kunden. Das obere Limit für Aktienbesitz liegt bei 15 Prozent, diese Regelung gewährleistet, dass Horai selbst und im Kollektiv entscheiden kann. Derzeit halten die Produzent/innen die Mehrheit der Aktien, knapp ein Viertel ist in der Hand der Mitarbeitenden und etwa 15% in der Hand von Kundinnen und Kunden.
Der Standort in Bern war für das Unternehmen lange Zeit zentral. Und doch wurde schliesslich ein Umzug an die Peripherie der Stadt unumgänglich. Nach zehn Jahren erfolgloser Standortsuche innerhalb der Stadt setzte sich die Einsicht durch, dass es für einen solchen Standort wohl zu viele Hindernisse gibt: dazu gehört die Zonenplanung, die kaum ausreichend Lager und Parkplätze ermöglicht, ebenso wie steigende Mieten und kurze Mietverträge. Die Risiken schienen zu gross, eine längerfristige Perspektive nicht realistisch. Seit Oktober 2018 ist Horai nun in Fraubrunnen in den Gebäuden einer ehemaligen Möbelfabrik. Der neue Standort bringt das Unternehmen näher an die Produzentinnen und Produzenten heran und stellt doch die Nähe zur Stadt Bern sicher.

Finanzierung

Horai ist eine Aktiengesellschaft, die in der Hand der Produzent/innen, Kund/innen und Mitarbeitenden ist. Das Unternehmen ist damit nicht auf das Kapital anderer Investoren angewiesen. Zwar gab es in der Startphase Personen und Institutionen, die Darlehen zur Verfügung gestellt haben, doch diese konnten im Laufe der Jahre wieder zurückgezahlt werden. Die Investitionen für den Umzug wurden zu 50% mit Bankdarlehen finanziert. Die laufenden Kosten werden über eine Marge auf die Produkte gedeckt.

«Horai ist wohl die genossenschaftlichste AG, die man sich vorstellen kann.»

Markus Keller, Geschäftsführer

Erfolge

Erfolgsfaktoren sind die überschaubare Struktur sowie die persönlichen Kontakte zu den Produzent/innen und zur Kundschaft. Intern wie extern wird stark auf Begegnung gesetzt, die Entscheidungsprozesse sind eher informell. Damit das funktioniert, sind die Mitarbeitenden zentral, die bei Horai alle ein hohes Mass an Eigenverantwortung haben. Auch im Umgang mit Mitbewerbern setzt Horai auf Kooperation und ist mit dieser Strategie immer gut gefahren.

«Unserer Strategie ist nicht, andere zu verdrängen, für Fleisch fehlt uns z.B. die Kompetenz. Wir wollen auch nicht mit küchenfertigen Produkten trumpfen. Wir sind mit der Ko-Existenz von verschiedenen Vermarktungsstrukturen gross geworden und befürworten das auch. Z.B. Kunden als Marktfahrer – die haben teilweise ihre eigenen Strukturen oder auch Gemüsekisten etc. Solange das mit gleich langen Spiessen passiert, ist das kein Problem, im Gegenteil. Es gibt auch das Phänomen, dass Leute ein neues Unternehmen gründen und erst später rechnen … Wenn man faire Löhne bezahlen will, dann ist Kooperation das Zentrale. Kooperation gehört zu unserem Geschäftsmodell – mit Kleinen, aber auch mit ganz Grossen. Das funktioniert mit fast allen recht gut.»

Markus Keller, Geschäftsführer

Herausforderungen

Die grössten Herausforderungen sind die engen Lieferzeitfenster der Kunden sowie gleichzeitig die Arbeitsqualität der Mitarbeitenden zu gewährleisten. Gastronomie und Läden haben hier unterschiedliche Ansprüche. Staus oder Unvorhergesehenes wie Unfälle können zu Verspätungen führen. Zudem werden die gesetzlichen Anforderungen strenger. In den Jahren, in denen Horai in Bern war, musste man sich ausserdem mit verschiedenen Empfindlichkeiten von Anwohnern, zum Beispiel Lärm, auseinandersetzen.
Eine Sorge im Zusammenhang mit dem Umzug nach Fraubrunnen war, dass Horai nicht mehr so nahe an bestehenden und potenziellen Neukunden dran sein kann. Diese Sorge hat sich glücklicherweise nicht als begründet herausgestellt.

Bezug zur Stadt

Der Bezug zur Stadt Bern war und ist für Horai zentral. Das Unternehmen versteht sich als Plattform für die Produzentinnen und Produzenten und verfolgt das Ziel möglichst viele Produkte aus der näheren Umgebung der Stadt anzubieten. Der neue Standort in Fraubrunnen bringt mehr Nähe zu den Produzent/innen. Was die Nähe zur Kundschaft betrifft, stellt er jedoch auch ein gewisses Risiko dar. In Bern tut sich viel, es entstehen immer wieder neue innovative Projekte rund ums Thema Essen, da ist es wichtig am Ball zu bleiben. Die Belegschaft, die zu einem wesentlichen Teil aus der Stadt kommt oder einen starken Bezug zu Bern hat, spielt daher eine entscheidende Rolle, um auch in Zukunft möglichst nah dran zu sein.

Stärken

  • Mitarbeitende, die einen Bezug zu den Liefergebieten und den Produzenten haben: Diese sind mitten im Geschehen und bekommen mit, was läuft.
  • Flache Hierarchie und grosse Eigenverantwortung der Mitarbeitenden
  • Kurze Transportwege
  • Nähe zu den Produzierenden und zur Kundschaft