Der Quartierhof Wynegg ist der letzte verbliebene Bauernhof im Kreis 8 in Zürich. Der Hof wird von der Quartierbevölkerung betrieben, Träger ist der Verein Quartierhof Wynegg. Der Hof ist Treffpunkt für die Bevölkerung und bietet im Rahmen von Schule auf dem Bauernhof Workshops zu unterschiedlichen Themen für Schulklassen an. Wichtigstes Anliegen ist es, ein Freiraum für alle zu sein, die eingebettet in eine Gemeinschaft rund um die Themen Landwirtschaft und Gärtnern selbst etwas ausprobieren wollen. Im Vordergrund steht die Partizipation, nicht die Produktion.

Steckbrief

Kontakt

Quartierhof Wynegg
Weineggstrasse 44a
8008 Zürich

Name:  Quartierhof Wynegg
Link:  www.quartierhof-wynegg.ch
Ort:  Zürich
Rechtsform:  Verein
Mitarbeitende:  1 Angestellte Person (70%), zum Teil Personen über ein Arbeitsintegrationsprogramm, 10 Vorstandsmitglieder, ca. 300 aktive Vereinsmitglieder, von Frühjahr bis Herbst 1x/Monat Arbeitseinsätze mit Asylsuchenden
Anz. Mitglieder: ca. 300 aktive Vereinsmitglieder, ca. 1500 passive Vereinsmitglieder
Jahresbudget:  ca. CHF 120 000.– & Mitgliederbeiträge (ca. 31 000.–)
Grösse:  5 ha
Landwirtschaftszone: nein

Aktivitäten

Die Aktivitäten am Quartierhof sind vielfältig. In insgesamt 12 verschiedenen Arbeitsgruppen halten die Mitglieder Hasen, Hühner, Schafe und Ponys, Mulis und Wollschweine, produzieren Most, Schnaps und Wein und kümmern sich um den Gemüsegarten und die Hochstammbäume bzw. die Pflege der Naturschutzflächen. Ausserdem gibt es Angebote für Schulen und Kindergärten und verschiedene Anlässe und Feste wie Heuen, Sonntagsgrills, das jährliche Mostfest als grösstes Fest, das Frühlingsfest, die Metzgete, den wöchentlichen Mittagstisch etc. Im kleinen Hofladen werden Most und Überschüsse aus dem Gemeinschaftsgarten und aus dem Obstgarten verkauft. Der Gemeinschaftsgarten wurde ursprünglich gegründet, um eigene Produkte für die Anlässe zu haben. Inzwischen reicht die Ernte ausserdem für zehn Gemüseabonnements.

Auch wenn die Gewinne aus diesen Aktivitäten durchaus ein relevanter Beitrag im Jahresbudget des Trägerverein des Quartierhofs sind, spielen die Produktion und die Vermarktung insgesamt keine tragende Rolle, denn die Partizipation und der Wissenstransfer stehen auf dem Quartierhof klar im Vordergrund. Ziel ist es, den Hof als Freiraum zu erhalten, in dem die Leute sich einbringen, selbst aktiv werden und voneinander lernen können. Insgesamt sind in den 12 Arbeitsgruppen ca. 300 Menschen aktiv. Die Hierarchien sind flach. Die Gruppen organisieren sich weitgehend selbst, sollten – abgesehen von der Miete – auch finanziell auf eigenen Beinen stehen und auch Entscheidungen, die die Gruppe betreffen, werden innerhalb der einzelnen Gruppen getroffen.

Der Quartierhof basiert sehr stark auf den persönlichen Beziehungen zwischen den Menschen, insbesondere auch, was den Wissenstransfer betrifft. Wichtigste Wissensquelle ist das Netzwerk. So gibt es innerhalb der Gruppen immer erfahrene und weniger erfahrene Leute, die von den Erfahrenen lernen können. Beispielsweise in der Naturschutzgruppe: Einige der Mitglieder arbeiten auch beruflich in ähnlichen Bereichen, etwa ein erfahrener Gärtner. Austausch gibt es ausserdem mit einem befreundeten Bauern und die Mitarbeitenden vom botanischen Garten kommen zum Mittagstisch und stehen dort mit Rat zur Verfügung. Zudem hat der Bewirtschafter inzwischen viel Fachwissen aufgebaut, durch die Arbeit auf dem Hof und punktuelle Weiterbildungen.

«Das Persönliche ist bei uns wichtig. Wir haben ein grosses Netzwerk, auf das wir zurückgreifen können.»

Lena Hochuli, Vorstandsmitglied

Wer arbeitet mit?

Trägerverein ist der Verein Quartierhof Wynegg. Im Vereinsvorstand sind derzeit 10 Personen aktiv, sie haben jeweils ihr eigenes Ressort. Die Hintergründe der Vorstandsmitglieder sind sehr unterschiedlich, ebenso wie ihr Alter und ihre räumliche Nähe zum Hof. Das Team ist damit ebenso vielfältig wie der Verein selbst und die Leute ergänzen sich gut. Neben den Vorstandsmitgliedern engagieren sich ca. 300 aktive Mitglieder in den 12 thematischen Gruppen. Jede Arbeitsgruppe ist im Vorstand vertreten – in der Regel durch ein Vorstandsmitglied. Neben den Vorstandssitzungen gibt es regelmässige Sitzungen mit Vorstand und Gruppenvertreter/innen, in denen strategische Fragen und gruppenübergreifende Themen behandelt werden.

Hans Peter Landert ist als «Bewirtschafter» die einzige fix angestellte Person (70%). Er kümmert sich um die Landwirtschaft (Tiere füttern, Obstbaumpflege, Instandhaltungsarbeiten etc.) und um die Vermietung der Remise. Der gelernte Keramiker hat zwar keine landwirtschaftliche Ausbildung, hat aber unterschiedliche Weiterbildungen zu wichtigen Themen besucht, beispielsweise zum Obstbaumschnitt. Immer wieder sind ausserdem Personen über das HEKS auf dem Hof beschäftigt. Zusätzlich gibt es monatliche Arbeitseinsätze von Leuten aus dem Bundesasylzentrum Zürich, v.a. für die Kompostanlage und für die Pflege der Bäume.

Geschichte und Zukunft

Der Quartierhof ist vor mehr als 20 Jahren als Zwischennutzung entstanden, nachdem die letzten Bewirtschafter aufgehört hatten. Ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung des Hofs war die Gründung des Trägervereins Quartierhof Wynegg im Jahr 1997. In diesem Jahr wurden auch einzelne Gebäude umgebaut bzw. saniert und die ersten Tiere, betreut von den ersten Arbeitsgruppen aus Quartierbewohnerinnen, zogen auf den Hof.

Die Stadtbevölkerung war von Anfang an wichtig für das Projekt: Zu Beginn waren es insbesondere engagierte Personen aus dem Umfeld des Quartiervereins, die sich dafür einsetzten, den Hof zu erhalten und weiter zu nutzen – unter anderem auch durch Aktionen wie Einsprachen gegen Bauprojekte. Denn während ein Grossteil des Umlandes des Quartierhofes in der Freihaltezone ist, befindet sich das Hofgebäude mit ca. 10 000 m2 in der Wohnzone. Ein Umstand, der den Fortbestand des Hofes zeitweise gefährdet hat. Mit dem einstimmigen Beschluss des Zürcher Gemeinderats im Jahr 2016, den Quartierhof und die Hofparzelle vom Kanton zu übernehmen, ist der Quartierhof nun endgültig gesichert.

Der Verein ist über die Jahre langsam, aber stetig gewachsen und gut abgesichert. Um dem Wachstum Rechnung zu tragen, wurde der Verein im Jahr 2012 neu strukturiert: Mit einem schlankeren Vorstand soll das Funktionieren des Vereins auch in Zukunft gewährleistet werden.

«Unser Hauptziel ist, dass es so weitergehen kann wie bisher; dass es auch weiterhin Platz für neue Ideen hat. Wichtig ist, dass wir kein ‘geschlossener Club’ werden, sondern dass neue Leute mit ihren Ideen kommen können. Dafür versuchen wir im Rahmen des bevorstehenden Umbaus auch Platz zu schaffen.»

Lena Hochuli, Vorstandsmitglied

Finanzierung

Der Quartierhof erhält finanzielle Unterstützung durch das Sozialdepartement der Stadt Zürich (knapp CHF 50 000.–). Ausserdem bringen die Vermietung der Remise, der Verkauf ab Hof (v.a. Most) und unterschiedliche Anlässe wie das Mostfest oder die Hofküche Einnahmen. Die Mitglieder bezahlen Mitgliederbeiträge in der Höhe von CHF 40.00 pro Jahr.
Kosten entstehen durch den Lohn für den Bewirtschafter (70% Fixanstellung), durch Instandhaltungsarbeiten, die Miete (derzeit CHF 1000.– im Monat) sowie für Anschaffungen, Reparaturen etc.

Es gibt keine spezifische Zielgruppe. Der Quartierhof spricht interessierte Personen aus der Bevölkerung an, die sich in den unterschiedlichen Gruppen engagieren wollen. Die Miete einmal ausgenommen, sollten die Gruppen die laufenden Kosten jeweils selbst tragen. Wenn Geld fehlt, können sie beim Vorstand aber auch ein Darlehen oder eine Gutschrift beantragen. Auch Entscheidungen für grössere Anschaffungen/Kosten, die mehrere Gruppen betreffen, werden im Vorstand per Mehrheitsentscheid getroffen. Knappe Entscheidungen gibt es erfahrungsgemäss nicht, nach ausführlicher Diskussion herrscht meist Einstimmigkeit.

Erfolge

Insgesamt ist der Quartierhof ein grosser Erfolg. Der Verein ist langsam gewachsen und der Hof für die Zukunft gesichert. Wichtig dafür waren und sind die Nähe zur Bevölkerung, die Offenheit und der Freiraum, den dieser bietet. Man kann sich mit eigenen, auch neuen Ideen einbringen und ist doch Teil einer grösseren Gemeinschaft. Damit ist der Hof breit abgestützt und das Gelingen hängt nicht von einzelnen Leuten oder einzelnen Gruppen ab.

Herausforderungen

Derzeit befindet sich der Quartierhof in einer Übergangszeit. Bis 2016 war der Kanton Eigentümer und damit Ansprechpartner für Gebäude und Flächen, seit dem Landabtausch mit dem Kanton ist es nun die Stadt Zürich. Während der Kanton viel Freiraum bot, sind die Vorstellungen der Stadt konkreter – hat sie doch die Quartierhöfe auch in ihrer Landwirtschaftsstrategie verankert. Hinzu kommen Einschränkungen durch die Bau- und Zonenordnung, die nun für den Verein konkret spürbar sind und die möglicherweise sogar den Rückbau einzelner Bauten (Koppeln für Ponys) notwendig machen.

Eine weitere Herausforderung sind notwendige Investitionen für Renovationen. Lange Zeit wurde wenig in den Hof investiert, aufgrund der Hygiene- und Sicherheitsvorschriften sind jedoch bauliche Massnahmen notwendig. Die Baumassnahmen sollen ausserdem Spielraum für neue Aktivitäten schaffen. Verhandlungen mit der Stadt dazu laufen und auch eine Machbarkeitsstudie wurde durchgeführt. Der Verein ist zuversichtlich, dass eine gute Lösung gefunden werden kann. Denn auch die Stadt selbst hat ein Interesse daran, dass der Hof weiter besteht.

Herausfordernd kann manchmal auch die bunte Mischung an Leuten sein, die am Quartierhof aktiv sind. Es „menschelt“ – aber das ist zugleich ja auch positiv. Die starke Abhängigkeit vom ehrenamtlichen Engagement der Mitglieder bedeutet manchmal ausserdem, dass Ideen nur verwirklicht werden können, wenn sich ein Kernteam mit hohem Interesse daran bildet und bereit ist, sich dafür zu engagieren.

Zugang zu Land

Die insgesamt 5 ha Fläche, die der Quartierhof inzwischen bewirtschaftet, sind z.T. Freihaltezone, z.T. aber auch Bauland. Der Hof und ein Teil der Flächen gehören der Stadt Zürich (seit dem Landabtausch vor wenigen Jahren), ein Teil des Landes gehört noch dem Kanton und wird von der Stadt gepachtet. Der Verein mietet Hof und Land zu einem sehr moderaten Mietzins. Die Maschinen und Tiere gehören dem Verein.

Der Quartierhof hat im Laufe der Jahre Flächen von der Stadt dazubekommen, in der Regel extensive Obstwiesen. Teilweise wurde der Verein auch angefragt, ob er Flächen übernehmen kann. Denn die Mitglieder der Naturschutzgruppe hatten bereits viel Erfahrung, die Zusammenarbeit funktionierte gut und die Kosten für die Pflege der Flächen bleiben durch das ehrenamtliche Engagement niedrig.

Bezug zur Stadt

Der Quartierhof Wynegg sieht sich als wichtigen Player im Themenfeld urbane Landwirtschaft. Die Mitglieder sind Leute, die in der Stadt Zürich leben. Für sie ist der Hof Lernort und Treffpunkt, eine Möglichkeit Unterschiedliches rund um die Themen Landwirtschaft und Ernährung auszuprobieren und Wissen weiterzugeben. Als Mitglied beim Ernährungsforum Zürich bringt sich der Quartierhof auch aktiv in aktuelle Debatten bzw. Projekte zum Thema ein.

«Wir sehen uns immer mehr als Player im Bereich urbane Landwirtschaft, Nachhaltigkeit und regionale Produktion. Es gibt in Zürich dazu immer mehr Initiativen. Wir sind Teil dieses entstehenden Netzwerks. Weniger im Bereich Produktion, aber im Bereich Wissenstransfer. Die Leute können hierher kommen und können selbst etwas lernen. Unsere Mitglieder sind ja Leute, die in der Stadt wohnen. Ihr Alltag hat nichts mit Landwirtschaft zu tun. Aber trotzdem sind sie sehr interessiert.»

Lena Hochuli, Vorstandsmitglied

Stärken

  • Breit abgestützter Verein als Trägerorganisation mit zwölf unterschiedlichen Arbeitsgruppen, die sich um die unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche kümmern.
  • Einfache Entscheidungsprozesse im Verein mit flachen Hierarchien und sehr selbständig arbeitenden Arbeitsgruppen.
  • Fokus auf Partizipation, Lern- und Erfahrungsräume bieten, die Möglichkeit selbst aktiv zu werden und «einfach einmal etwas zu machen»
  • Finanzierung über das Sozialdepartement der Stadt Zürich (Bereich Soziokultur) sowie über Feste und Mitgliederbeiträge

Die Zitate stammen von Vorstandsmitglied Lena Hochuli. Die Fotos machte die AGRIDEA.