Der Birsmattehof bietet für die Stadt und Region um Basel Gemüse-Abos aus eigener Produktion an. Initiiert wurde der Betrieb von einer Konsumentengruppe, welche selber Bio-Gemüse aus der Region wollte und sich für den eigenen Anbau organisiert hat. Es wurde eine Genossenschaft gegründet, wo die Mitglieder bis heute tatkräftig in der Produktion mithelfen. Da der Betrieb keine Direktzahlungen erhält, werden die Kosten über einen fairen Produktepreis abgedeckt.

Steckbrief

Name: Birsmattehof
Webseite: birsmattehof.ch
Ort: Therwil, BL
Rechtsform: Genossenschaft
Mitarbeitende: 2 Betriebsleitende, rund 75 Personen (Dez.2020) mit unterschiedlichen Anstellungsprozenten, ca. 1020 Genossenschafter/innen
Grösse: 22ha Birsmattehof, 60ha Markhof (D)
Landwirtschaftszone: ja

Aktivitäten

  • Gemüseanbau in Bioqualität: von Kräutern, über Freilandgemüse bis zur eigenen Saat- und Pflanzgutproduktion. Es wird alles Mögliche angebaut, um eine möglichst breite Gemüsepalette anbieten zu können.
  • Absatz hauptsächlich über Gemüse-Abo sowie Marktstände
  • Tierhaltung: für die Düngerproduktion und Schliessung des Nährstoffkreislaufes auf dem Betrieb.
  • Miteinbindung der Genossenschafter/innen mittels Arbeitsleistungen

Wer arbeitet mit?

Beim Birsmattehof in Therwil handelt es sich um eine Genossenschaft (Agrico) mit einer Geschäftsleitung bestehend aus 5 Personen. Nicole (Gemüsegärtnermeisterin) und Alexander (Landwirt und Agronom) Tanner sind seit 1995 die Betriebsleitenden. Es gibt verschiedene Produktionsgruppen, welche in Zusammenarbeit mit der Betriebsleitung ihre eigenen Bereiche organisieren.
Es arbeiten sehr viele Menschen mit, je nach Jahreszeit über das Jahr verteilt circa 75 Personen mit unterschiedlichen Anstellungsprozenten. Bei den vielen Mitarbeitenden handelt es sich um ein bunt zusammengestelltes Hofteam. Oft sind auch Personen aus Integrationsprojekten oder sozialen Einrichtungen aktiv. Koordiniert werden die Arbeiten mit der Betriebsleitung und den zuständigen Produktionsgruppen mit Hilfe von Morgenkreisen, E-Mail und WhatsApp. Zudem leisten viele Personen Freiwilligenarbeit, wie beispielsweise die Depothalter/innen oder die Genossenschafter/innen durch zusätzliche Eigenleistungen. Arbeitstage werden über die Internetseite kommuniziert.

Geschichte und Zukunft

In den achtziger Jahren war es in und um Basel nicht einfach, frisches Gemüse aus der Region zu bekommen. So entstand bei den Konsumierenden immer mehr das Bedürfnis, selber Gemüse anzubauen, und zwar in Bioqualität. Eine Gruppe aus circa 10 Personen gründete 1981 die Genossenschaft Agrico und der Birsmattehof (22 ha) wurde gepachtet. Sie waren Pioniere, die mit sehr viel Engagement und Eigenleistungen den Birsmattehof aufbauten. Später wurde zusätzlich der Markhof mit 60 ha Land dazu gepachtet, der auf der anderen Seite der Stadt Basel bereits auf deutschem Boden liegt. 2013 gab es mit Hilfe einer externen Beratung und der Genossenschafter/innen eine Strategieentwicklung. Wichtige Elemente darin waren, die Produktion zu steigern, um die Nachfrage aus der Region zu decken und die Kundensegmente zu öffnen. Aus ursprünglich einem Abonnement wurden drei verschiedene Angebote.
Der Genossenschaftsgedanke war von Anfang an wichtig: eine breit abgestimmte Philosophie und die Mitarbeit bei den Aktivitäten. Die Abos machen 65% des Absatzes aus, der Rest läuft über Marktstände, wenig auch über die Gastronomie oder Läden. Die Agrico beliefert mit eigenen Fahrzeugen rund um und in Basel. Sie liefert meist in Depots, wo die Kundinnen und Kunden ihr Gemüse selber abholen. Die Genossenschafter/innen erhalten das Gemüse-Abo zum Mitgliederpreis. Für den Bezug eines Gemeinschafts-Abos ist es jedoch nicht zwingend erforderlich Genossenschafter/in zu sein. Die Genossenschaft zählt aktuell 1020 Mitglieder, wovon 685 Mitglieder auch ein Abo haben und aktiv auf dem Hof mitarbeiten. Je nach Abo-Grösse arbeiten sie 6, 8 oder 12 Stunden pro Jahr mit. Nebst den Genossenschaftsmitgliedern können auch Kundinnen und Kunden ohne Beitritt in die Genossenschaft das Gemüse im Abo beziehen. Die Kund/innen ohne Anteilsschein leisten keine Stunden auf dem Hof, somit erhöht sich für sie der Preis für das Gemüse-Abo. Rund 4100 Abokörbe werden wöchentlich ausgeliefert, davon geht der grösste Teil an Kundinnen und Kunden ohne Genossenschafts-Schein.

Finanzierung

Bis 1994 wurde der Betrieb gepachtet, 1995 wurde er von der Agrico gekauft. Es entstanden Schulden von ca. CHF 2,2 Mio. Finanziert wurde das ganze zum grössten Teil über das Kapital der Genossenschaftsmitglieder. Auch heute kostet die Mitgliedschaft CHF 500.–. Zudem konnten zinslose Darlehen aufgenommen werden.
Da die Agrico die Rechtsform der Genossenschaft beibehalten wollte, wurde bewusst auf die Direktzahlungen verzichtet. Bei den Finanzen möchte die Agrico eine nachhaltige und erfolgreiche Geschäftsstruktur erhalten. Die Kosten müssen somit ganzumfänglich über die Produktion gedeckt werden, was mittlerweile auch gelingt. Der Agrico ist es sehr wichtig, faire Preise zu erzielen, die es auch ohne Direktzahlungen erlauben, die Produktionskosten abzudecken. Pro Jahr erhält die Agrico ca. CHF 8000.– Bundesbeiträge für den ökologischen Leistungsnachweis, was jedoch einen sehr kleinen Betrag des Umsatzes darstellt. Die grössten Kosten sind die Lohnkosten, welche mehr als die Hälfte des Umsatzes ausmachen.

Erfolge

Zum Erfolg führten das Engagement und die Solidarität der Mitglieder, die wiederum viel Vertrauen in die Gärtner hatten und bereit waren den Betrieb zu entwickeln und zu professionalisieren. Weitere Erfolgsfaktoren waren:

  • Engagierte Mitarbeitende
  • Stadtnaher direkter Absatz der Produkte
  • Verbundenheit der Konsumenten
  • Qualitativ gute Produkte aus einer anerkannt nachhaltigen Produktion

Die sozialen Kontakte der Mitglieder sowie der direkte Kundenkontakt waren und bleiben sehr wichtig und ermöglichen eine transparente Kommunikation über die Produktion bis zum Verkauf. So ist die Mitarbeit ein wichtiger Erfolgsfaktor, um mit den Mitgliedern in Kontakt zu bleiben. Kommuniziert wird über den direkten Kontakt, über einen Newsletter (Echo), sowie über die Homepage, beispielsweise für die Arbeitstage. Die wichtigsten Partner sind somit die mit dem Birsmattehof verbundenen Konsumentinnen und Konsumenten, die Abonnenten/innen und die Markteinkäufer/innen welche auch den Absatz- und die Produktionsmöglichkeiten, sowie die Einnahmen (Preis) bestimmen. Ein enger Kontakt existiert zudem mit anderen Landwirten und Landwirtinnen in der Region, mit regionalen Behörden und Verbänden sowie mit der Beratung. Seit kurzem existiert eine Zusammenarbeit mit einem Betrieb im Kanton Graubünden, von dem Bruderhähne bezogen werden, welche auch ins Abo einfliessen.

«Seit 1981 hat sich die Schweizer Landwirtschaft sehr gewandelt. Somit ist es sehr eindrücklich, dass es die Agrico immer noch gibt, trotz all den Herausforderungen in den fast 40 Jahren ihres Bestehens. Das Modell der Genossenschaft hat sich bewährt, es ist eine sehr faire Rechtsform. Der Gewinn bleibt im Betrieb und kommt den Mitarbeitenden und den Kunden zugute. Das bedingt jedoch, dass es Mitarbeitende braucht, welche sich auch mit der Genossenschaft identifizieren, was nicht immer einfach ist. Werte müssen vor- und weitergelebt werden.»

Herausforderungen

Der in Anbau und Absatz breit aufgestellte Betrieb bringt eine Vielzahl verschiedener Herausforderungen mit sich. Im Bereich Personal ist die grösste Herausforderung, engagierte Mitarbeitende mit ausreichendem Fachwissen zu gewinnen und zu halten. Bei der grossen Vielfalt der angebauten Kulturen braucht es ein adäquates Knowhow, um eine gute Effizienz zu erreichen. Auch ist es nicht immer einfach, die Kundenbindung zu halten und die vielen Wünsche der Kundschaft zu erfüllen. Und nicht zuletzt ist das urbane Umfeld an sich auch eine Herausforderung, denn die Nähe zur Stadt bringt zum Teil auch Unverständnis für die Landwirtschaft, Littering sowie viele, zum Teil widersprüchliche Bedürfnisse mit sich.

Zugang zu Land

1995 hat die Agrico den Birsmattehof vom ehemaligen Verpächter abgekauft, somit ist sie Besitzerin von Land, Gebäude und auch den Maschinen. Zurzeit bewirtschaftet der Birsmattehof 22 Hektaren, der dazu gepachtete Betrieb Markhof auf der deutschen Seite umfasst 60 Hektaren. Mit dem Entscheid, zusätzlich den Markhof zu pachten, konnte der Betrieb um einiges vergrössert werden, auch wenn dies zu zwei verschiedenen Standorten führte. Der Zugang zu Land war und bleibt immer ein schwieriges Thema, denn in der Agglomeration ist es aufgrund des Siedlungsdrucks sehr schwierig zu Land zu kommen.

Bezug zur Stadt

Die Nähe zur Stadt Basel ist sicher wichtig. Einerseits ist der Betrieb sehr nahe an den Kundinnen und Kunden, andererseits ermöglicht sie den Genossenschafter/innen nahe am Hof und am Hofleben zu sein. Nachteilig ist das teils geringe Verständnis für die Landwirtschaft. So kann es vorkommen, dass ein kurzzeitig verschmutzter Veloweg, Traktorlärm oder Bewässerungsgeräusche über Mittag sehr schnell der Gemeinde gemeldet werden, selbst wenn diese Störungen nur sporadisch vorkommen.

Stärken

  • Einer der ersten Betriebe schweizweit, der mit der solidarischen Landwirtschaft begonnen hat
  • sehr hohe Eigenproduktion (95%)
  • Genossenschaftsgedanke
  • Die Nachfrage nach hochwertigen Produkten wird höchstwahrscheinlich weiter steigen.

Die Zitate stammen von der Betriebsleiterin Nicole Tanner. Die Fotos machte die AGRIDEA.