Bildungsmassnahme “Kompetent engagiert” (Deutsche Schweiz)

Die Bildungsmassnahme “Kompetent engagiert: Motiviert und bedacht ein Anliegen vertreten” ist eine Antwort des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes SBLV und der AGRIDEA auf zwei Hypothesen, die häufig als Grund genannt werden, weshalb der Frauenanteil in der landwirtschaftlichen Vertretungsarbeit tief sei:

  1. Frauen fehlt das dafür nötige Selbstvertrauen.
  2. Frauen sind respektive halten sich für zuwenig kompetent in agrarpolitischen Themen.

SBLV und AGRIDEA konzipierten einen zu diesen Hypothesen passenden Kurs, der Trainings- und Austauschmöglichkeiten bietet, Elemente von Blended Learning integriert (= Kombination aus Präsenzveranstaltungen und E-Learning) und mit Aufgaben, Hinweisen und vielen Materialien das individuelle Lernen und Vorbereiten einzelner Aufgaben zu Hause unterstützt. An zwei Präsenztagen wird ermöglicht, dass die Teilnehmerinnen ihr Selbstvertrauen durch Training und Feedback stärken und ihre Auftritts- und Argumentationskompetenzen weiterentwickeln. Zwei online-Treffen mittels Video-Konferenz übers Internet dienen dazu, digitale Tools zur vereinfachten Zusammenarbeit über Distanz einzuführen und den Austausch während der Phasen zu unterstützen, in denen sich die Frauen nicht treffen. Die formale Kurszeit beträgt 2.5 Tage, der Lernprozess erstreckt sich gesamthaft über eine Dauer von ca. acht Wochen.

Die Kursziele im Überblick

  • Die Teilnehmenden erweitern ihren Überblick über das System und das Funktionieren von Agrarpolitik und Agrarwirtschaft.
  • Sie erkennen die positiven Seiten des Engagements und fühlen sich motiviert und befähigt, Vertretungsarbeit zu übernehmen.
  • Persönliche Kompetenzen werden bewusst und gestärkt, die eigene Rolle als Frau und Bäuerin reflektiert, Interessen und Themenschwerpunkte für das eigene Engagement herausgearbeitet.

Ergebnisse

Die Pilotmassnahme zeigte, dass ein grosser Bedarf nach Unterstützung und Begleitung bei der Weiterentwicklung einschlägiger Kompetenzen fürs Wahrnehmen von landwirtschaftlicher Vertretungsarbeit vorhanden ist. Die Verknüpfung von Wissensaufbau in agrarpolitischen Fragen und Training von Selbst- und Sozialkompetenzen bewährte sich. Das Bildungsangebot überzeugte mit dem didaktischen Konzept, das dahinter steckt. Die Materialien zur Agrarpolitik unterstützen die gewünschten Kompetenzentwicklungen und geben Orientierung für weitere vertiefte Auseinandersetzungen.

Zielgruppe der Kursausschreibung waren Frauen ohne Engagement. Tatsächlich hatte jedoch gut die Hälfte der Teilnehmerinnen bereits mehr-, manchmal auch langjährige Erfahrung in landwirtschaftlicher Vertretungsarbeit und/oder politischen Ämtern. Diese Vielfalt des Erfahrungsstandes der Teilnehmerinnen war ein wichtiger Erfolgsfaktor für den Kurs: “Neulinge” freuten sich, die in Vertretungsarbeit erfahrenen Frauen, die sie teilweise aus den Medien oder der Teilnahme an Veranstaltungen kannten, persönlich kennen zu lernen, von ihnen Feedback zu erhalten und von ihren Erfahrungen zu lernen. Erfahrene Teilnehmerinnen nutzen den Kurs für eine Standortbestimmung bezüglich ihrer Kompetenzen und schätzten es, dazu Feedback von Frauen zu erhalten, die sie teilweise zum ersten Mal sahen. Für die seit langem engagierten Frauen war es ermutigend zu sehen, dass sich neue Frauen für Vertretungsarbeit interessieren und durch ihr zukünftiges Engagement dazu beitragen würden, die Vertretungsarbeit auf neue und mehrere Frauenschultern zu verteilen. Für die “neuen” Frauen war es lehrreich zu sehen, dass sich auch erfahrene Frauen teilweise ähnliche Fragen zum Selbstvertrauen stellen – und dass diese für sich damit einen Umgang entwickelt haben, der sich für sie in der Vertretungsarbeit bewährt. Insgesamt war der Kurs von viel gegenseitiger Wertschätzung geprägt.

Effizienz, Wirksamkeit und Nachhaltigkeit des Kurses

In einer ersten Evaluation direkt nach Ende des Kurses gaben alle Teilnehmerinnen an, ihr Selbstvertrauen bzgl. Übernahme eines Amtes in landwirtschaftlichen Organisationen habe sich erhöht. Eine Teilnehmerin wurde während der Kurszeit für ein Amt angefragt und sagte zu. Erkennbar war auch, dass bereits erfahrene Frauen, die das nötige Selbstvertrauen hatten, es dennoch schätzten, im Sinne einer Selbstvergewisserung und auch Ermutigung für andere, am Kurs teilzunehmen. Sehr deutlich zeigte sich, dass der beste Weg zur Stärkung des Selbstvertrauens darin besteht, Erfahrungen zu machen. Gleichzeitig wurde auch deutlich, dass der Kurs ein starkes Bedürfnis nach “Selbstvergewisserung” erfüllen konnte. Vor allem die Teilnehmerinnen ohne Engagement betonten, dass es für sie wichtig sei zu wissen, dass und wo sie sich Unterstützung holen könnten, wenn sie eine Amt übernehmen würden.

Ob die Frauen beim “Suchen” eines Engagements aktiver sind als vor dem Kursbesuch, soll ca. 6 bis 12 Monate nach Kursdurchführung abschliessend evaluiert werden.

Erfolgsfaktoren

  • Interdisziplinäre Kooperation als Schlüssel zum Erfolg: Die Kooperation zwischen SBLV und AGRIDEA bewährte sich. Die Durchführung eines derartigen Kurses braucht neben Fachkompetenz in Agrarpolitik, Landwirtschaftsthemen und Erwachsenenbildung auch ein fundiertes psychologisches Wissen. Für die Umsetzung relevant sind übliche Kriterien für gute Kurse in der Erwachsenenbildung: adäquate didaktische Analyse und passendes didaktisches Konzept, wertschätzende und inspirierende Zusammenarbeit der Kursleitung und Teilnehmenden, vorhandene Kompetenz zur Umsetzung des Kurskonzeptes. Und selbstverständlich braucht es genügend Feldkompetenz und eigene Erfahrung in den relevanten Themen des Kurses.

Stolpersteine

  • Finanzierung: Die Frauen sind gewohnt, relativ niedrige Kurskosten zu bezahlen. Im Rahmen des Projekts PFO war es möglich, die beiden Pilotkurse mit sehr niedrigen Teilnahmegebühren anzubieten. Für die Durchführung weiterer Kurse nach Projektabschluss ist die Finanzierung jedoch nicht sichergestellt bzw. werden höhere Teilnahmegebühren erhoben werden müssen.
  • Frauenräume vs. mehr Sichtbarkeit für Frauen: Der Kurs richtet sich nur an Frauen. Die Teilnehmerinnen schätzen es, dass sie “unter sich” sind, wenn sie ihr Auftreten reflektieren und Feedback erhalten. Eine unerwünschte Nebenwirkung der “Geschütztheit” des Kursraumes für Frauen ist, dass die Bildungsmassnahme auf diese Weise wenig zur Erhöhung der Sichtbarkeit der Frauen beiträgt. Die Frauen, die sich im Kurs begegnen und allesamt  interessiert an der landwirtschaftlichen Vertretungsarbeit sind und dafür auch Kompetenzen mitbringen, bleiben unter sich. Der Kurs wirkt zwar in die gewünschte Richtung und ermutigt Frauen zum Engagement, er trägt aber möglicherweise etwas weniger dazu bei, die Geschlechterverteilungen in landwirtschaftlichen “Männer”-Organisationen zu verändern, da das Netzwerk der teilnehmenden Frauen nicht an jenes von Vertretern von landwirtschaftlichen Organisationen andockt. Mit geeigneten Massnahmen, beispielsweise in Form von aufbauenden Bildungsangeboten, die explizit für Frauen und Männer konzipiert sind, liesse sich die Sichtbarkeit und Vernetzung der Frauen einfach und wirksam erhöhen.

Hinweise & Links

Die Details zum erwähnten Kurs finden sich hier:

Detail-Kursprogramm “Kompetent engagiert” 2018

Detail-Kursprogramm “Kompetent engagiert” 2019