Kategorien
Agrarökologie

Entwicklung und Bedeutung der Agrarökologie

Die Agrarökologie hat sich zu einem integrativen Ansatz entwickelt, der ökologische, soziale, politische und ökonomische Dimensionen der Landwirtschaft miteinander verbindet. Ursprünglich entstand die Agrarökologie als wissenschaftliche Disziplin, die landwirtschaftliche Systeme aus einer ökologischen Perspektive untersuchte. Im Mittelpunkt dieser Disziplin stand die Analyse der Wechselwirkungen zwischen Pflanzen, Tieren, Menschen und ihrer Umwelt, mit dem Ziel, landwirtschaftliche Praktiken nachhaltiger und ökologisch effizienter zu gestalten.

Table of content

Das ist Agrarökologie

→ Entwicklung und Bedeutung der Agrarökologie

Prinzipien und Stufen der Agrarökologie

→ Agrarökologie in der Schweiz

Im Laufe der Jahrzehnte hat sich die Agrarökologie von einer rein wissenschaftlichen Disziplin zu einer umfassenden Bewegung und praxisorientierten Methode weiterentwickelt. Diese Entwicklung zielt nicht nur auf die Forschung ab, sondern auch auf soziale und politische Veränderungen, um gerechte und nachhaltige Lebensmittelsysteme zu fördern.

Historische Entwicklung

Frühe Entwicklung der Agrarökologie

Der Begriff „Agrarökologie“ hat seinen Ursprung in den 1930er Jahren. Diese Disziplin untersuchte die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen, Tieren, Menschen und ihrer Umwelt in landwirtschaftlichen Systemen. Die Grundfrage war, wie die Umwelt die Landwirtschaft beeinflusst und umgekehrt.

Agrarökosysteme und Kritik an industrieller Landwirtschaft

In den 1960er und 1970er Jahren fand der Begriff „Agrarökosystem“ Einzug in die politische und wissenschaftliche Diskussion. Zu dieser Zeit wurden die agrarökologischen Konzepte zunehmend mit der Kritik an der industriellen Landwirtschaft und den negativen Folgen der Grünen Revolution verknüpft.

Der systemische Ansatz der Agrarökologie

Ab den 1980er Jahren begann die Agrarökologie, einen systemischen Ansatz zu verfolgen, der das gesamte Ernährungssystem in den Blick nahm. Dies umfasste nicht nur die landwirtschaftliche Produktion, sondern auch die Verarbeitung, den Vertrieb und den Konsum von Lebensmitteln. Der Fokus verlagerte sich von der reinen Produktion hin zu nachhaltigen, gerechten und resilienten Ernährungssystemen, die auch länderübergreifend Fairness und Gerechtigkeit berücksichtigen.

Fokus auf Praxis und gesellschaftliche Auswirkungen

In den 1990er Jahren verstärkte sich der Fokus der Agrarökologie auf die landwirtschaftliche Praxis und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft. Dies führte zur Integration von ökologischen Anbaumethoden, sozialen Bewegungen und politischen Strategien zur Förderung nachhaltiger Agrarsysteme. Agrarökologie entwickelte sich zu einer praxisorientierten Wissenschaft, die sich mit den realen Herausforderungen der Landwirtschaft auseinandersetzte und Lösungen für ökologische, soziale und ökonomische Probleme bot.

Versuch einer Definition

Agrarökologie heute

Heute wird Agrarökologie als integrative Wissenschaft und Praxis verstanden, die ökologische, soziale und wirtschaftliche Aspekte in der Landwirtschaft miteinander verbindet. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) beschreibt Agrarökologie als Ansatz zur Stärkung der Resilienz von Agrarsystemen, zur Förderung der Biodiversität und zur Minderung des Klimawandels. Agrarökologische Praktiken sollen nicht nur die Produktivität erhöhen, sondern auch die soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Lebensfähigkeit von Landwirt:innen weltweit fördern. Die FAO definiert den Begriff in ihrem Leitfaden (2018) wie folgt:

Agrarökologie ist ein integrierter Ansatz, der gleichzeitig ökologische und soziale Konzepte und Prinzipien auf die Gestaltung und das Management von Lebensmittel- und Agrarsystemen anwendet. Er zielt darauf ab, die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen, Tieren, Menschen und der Umwelt zu optimieren und gleichzeitig die sozialen Aspekte zu berücksichtigen, die für ein nachhaltiges und faires Ernährungssystem berücksichtigt werden müssen.

FAO. (2018). The 10 Elements of Agroecology: Guiding the Transition to Sustainable Food and Agricultural Systems.

Weitere Definitionen von anderen Organisationen sind im Agroecology Infopool von Biovison aufgelistet.

Ansatz aus drei Blickwinkeln

Für die FAO setzt sich die Agrarökologie aus drei unterschiedlichen Ansätzen zusammen.

Als Wissenschaft untersucht die Agrarökologie, wie verschiedene Komponenten des Agrarökosystems miteinander interagieren.

Als Set aus Praktiken strebt sie nachhaltige Landwirtschaftssysteme an, die Erträge optimieren und stabilisieren.

Als gesellschaftliche Bewegung verfolgt sie multifunktionale Rollen für die Landwirtschaft, fördert soziale Gerechtigkeit, pflegt Identität und Kultur und stärkt die wirtschaftliche Lebensfähigkeit ländlicher Gebiete.

FAO. Agroecology & Family Farming

Das Hochrangige Expertengremium für Ernährungssicherheit (HLPE) verfasste 2019 den Bericht Agroecologival and other innovative approchaches, um diese verschiedenen Ansätze genauer zu untersuchen. Es wurde festgestellt, dass es keine einheitlich geteilte Definition von Agrarökologie gibt und auch keine Übereinstimmung darüber, welche Aspekte zu diesem Ansatz gehören und welche nicht.

Im Bericht werden auch die drei unterschiedlichen Blickwinkel spezifischer ausgeführt:

Als Wissenschaft ist die Agrarökologie:
(i) die integrative Untersuchung der Ökologie des gesamten Ernährungssystems, das ökologische, wirtschaftliche und soziale Dimensionen umfasst oder, kurz gesagt, die Ökologie des Ernährungssystems;
(ii) die Anwendung ökologischer Konzepte und Prinzipien auf die Gestaltung und das Management nachhaltiger Ernährungssysteme; und, in jüngerer Zeit,
(iii) die Integration von Forschung, Bildung, Handeln und Veränderung, die Nachhaltigkeit in alle Teile des Ernährungssystems bringt: ökologisch, wirtschaftlich und sozial.

Agrarökologische Praktiken zielen darauf ab, Agrarökosysteme zu verbessern, indem sie natürliche Prozesse nutzbar machen, vorteilhafte biologische Wechselwirkungen und Synergien zwischen ihren Komponenten schaffen und ökologische Prozesse sowie Ökosystemdienstleistungen bestmöglich für die Entwicklung und Umsetzung von Praktiken nutzen.

Als soziale Bewegung wird die Agrarökologie als Lösung für aktuelle Herausforderungen wie Klimawandel und Mangelernährung gesehen, die sich vom sogenannten „industriellen“ Modell abhebt und es umwandelt, um lokal relevante Ernährungssysteme aufzubauen, die die wirtschaftliche Lebensfähigkeit ländlicher Gebiete auf der Grundlage kurzer Vermarktungsketten sowie einer fairen und sicheren Nahrungsmittelproduktion stärken. Sie unterstützt verschiedene Formen der kleinbäuerlichen Lebensmittelproduktion und Familienbetriebe, Bauern und ländliche Gemeinschaften, Ernährungssouveränität, lokales Wissen, soziale Gerechtigkeit, lokale Identität und Kultur sowie indigene Rechte für Saatgut und Tierrassen. Diese Dimension der Agrarökologie als politische Bewegung tritt zunehmend in den Vordergrund.

HLPE (2019). Agroecologival and other innovative approchaches

Diese drei Blickwinkel, ihre Verknüpfung und gemeinsame Weiterentwicklung bilden den ganzheitlichen Ansatz der Agrarökologie. Die Landwirtschaft soll nicht isoliert betrachtet werden, sondern als integraler Bestandteil eines Ernährungssystems, indem genügend und vielfältige Nahrungsmittel produziert werden und gleichzeitig die biologische Vielfalt und die natürlichen Ressourcen geschützt werden können.

Prinzipien & Stufen der Agrarökologie →


Hinweise, Ergänzungen, Anregungen und Kommentare nehmen wir gerne entgegen →