Die Erfahrungsberichte schildern Fälle aus der Sicht einer Landwirtin oder eines Landwirts. In der Tabelle kommentiert ein/e Fachexpert/in den Fallverlauf.

Ausgangslage

Auf diesem Betrieb werden 40 Kühe während des Sommers in einem anderen Stall gemolken als im Winter, wobei sich auch das Melksystem unterscheidet. Während des Sommers werden die Kühe mit einem Side-by-Side Melkstand gemolken. Dabei wurde in der Vergangenheit regelmässig erhöhte Zellzahlen der Milch und Nervosität während des Melkens beobachtet. Zudem wurde festgestellt, dass das Nackenrohr im Melkstand eher tief eingestellt ist.

  • erhöhte Zellzahlen (>150 000/ml);
  • der Melkstand wird nicht gerne betreten;
  • jeweils der erste Platz auf jeder Seite im Melkstand wird stark gemieden;
  • die Tiere lecken am Boden.

In der Nähe des Stalls befindet sich eine Hochspannungsleitung. Zusätzlich wurde beobachtet, dass die Kühe lieber in den Melkstand kamen, wenn der Melkstand vor dem Melken nicht angefeuchtet wurde.

Beteiligte Akteure, Herangehensweise und umgesetzte Massnahmen

Akteur Herangehensweise/Ursachenfindung und getroffene Massnahmen  Bewertung von Fachspezialist/innen¹

Milchkontrolleur

Aufgrund der hohen Zellzahlen wurden Milchproben genommen, um stark betroffene Kühe zu finden und allfällige Erreger festzustellen.

Bei der Analyse der Milchproben konnte nichts Auffälliges festgestellt werden.

Melkberatung

Um ein technisches Problem festzustellen, wurde das Vakuum gemessen. Das Betriebsvakuum war im Toleranzbereich, das Kopfvakuum allerdings leicht erhöht, weshalb die Zitzengummis untersucht wurden. Im Vergleich zum Zitzendurchmesser der Herde war der Durchmesser der Zitzengummis eher zu gross.

Bei der Messung durch den Melkberater wurden zudem am vorderen Vierkantrohr Ströme von 30 mA gemessen.

Aufgrund der Messung der Melkberatung wurde das ESTI hinzugezogen. Beim nächsten Service wurden zudem die Zitzengummis durch ein kleineres Modell ersetzt.

Elektrofachspezialist des ESTI

Bei den Messungen des ESTI wurde festgestellt, dass der Erdungswiderstand des Stalles tiefer war als der Erdungswiderstand des Wohnhauses, wodurch Strom vom Wohnhaus zum Stall floss. Zudem bestand der Potentialausgleich aus vielen verschiedenen Serie- und Parallelschaltungen, wobei ein Zentraler Erdungspunkt (ZEP) fehlte.

Beim Melkstand fehlte zudem eine Verbindung des Schutzpotenzialausgleichs zur Konstruktion des Melkstandes.

Die Erdung des EW hatte einen höheren Widerstand als die Erdung des Melkstandes. Die Spannung war in den Bereichen von 1 V zu messen. Weil alle Gruppen RCD (FI) geschützt waren und der Melkstand eine gute Erdung hatte, entschloss man sich in den PE- Schutzleiter der Zuleitung eine Trennfunkenstrecke 50 V Classe N einzubauen. Durch diese Massnahme floss kein Strom mehr und die Spannung war 0 V. Die Induktion der 110 kV Freileitung auf den Blitzschutz war 3 V. Wie wurde der mögliche Einfluss der Streuströme auf die Tiere begründet? (amo)

Konnten Differenzspannungen gemessen werden? Offensichtlich war der Potenzialausgleich nicht regelkonform ausgeführt. (aw)

Als Massnahmen wurde der Schutzleiter mit einer Trennfunkenstrecke versehen. Zudem wurde die Konstruktion des Melkstandes an den Schutzpotentialausgleich angeschlossen.

Dies erbrachte eine Verbesserung und die Tiere kamen besser in den Melkstand. Zusätzlich kehrte mehr Ruhe ein und die beiden vorderen Plätze im Melkstand wurden wieder besser angenommen.

Betriebsleiter

Zusätzlich zu den genannten Massnahmen wurde der Fütterung Aktivkohle zugesetzt und das Nackenrohr im Melkstand etwas angehoben.

Aktivkohle ist nur bei Verdacht auf Mykotoxine im Futter zu empfehlen, da diese unspezifisch Giftstoffe bindet. Sie hilft nicht gegen Streuströme. (AGRIDEA)

¹Kürzel in Klammern hinter den Aussagen stehen für den jeweiligen Fachexperten der Plattform Streuströme.

Legende:
Herangehensweise
Massnahme

In Bezug auf das unwillige Betreten des Melkstandes und das Meiden der ersten beiden Plätze, kann davon ausgegangen werden, dass Streuströme verantwortlich waren. So trat direkt nach der Anpassung an der Erdung eine Besserung ein. Zudem wurden dann auch die beiden ersten Plätze nicht mehr gemieden. Da die Zitzengummis erst mit dem nächsten Service ausgewechselt wurden und das Nackenrohr auch noch nicht angepasst wurde, können diese als Verursacher für das „Nicht-Betreten-Wollen“ und die Meidung der ersten Plätze ausgeschlossen werden.
Hingegen können die Streuströme in diesem Fall nicht für die hohen Zellzahlen verantwortlich gemacht werden. Bei den erhöhten Zellzahlen muss eher davon ausgegangen werden, dass diese aufgrund der unpassenden Zitzengummis auftraten. Es kann davon ausgegangen werden, dass die unpassenden Zitzengummis das Vakuum beeinflussten. Dadurch wurden die Zitzen stärker belastet, was zu erhöhten Zellzahlen führen kann. Auch das Beimengen von Aktivkohle kann die Zellzahlen positiv beeinflussen, sofern eine Qualitätsbeeinträchtigung des Futters vorliegt.