Die Erfahrungsberichte schildern Fälle aus der Sicht einer Landwirtin oder eines Landwirts. In der Tabelle kommentiert ein/e Fachexpert/in den Fallverlauf.

Ausgangslage

Der Betrieb mit 70 Milchkühen der Rasse Red Holstein im Boxenlaufstall liegt in der Hügelzone. Die Kühe werden im Melkstand gemolken.

Bezüglich der theoretischen Tankzellzahlen (mit der jeweiligen Leistung gekoppelter Mittelwert der Zellzahlen aller gemolkenen Kühe in der Milchwägung) kam es immer wieder zu Schwierigkeiten:

  • seit mehreren Jahren liegen die Tankzellzahlen um die 250’000/ml mit leicht steigender Tendenz
  • der Anteil an Tieren mit Zellzahlen über 150’000/ml ist im Laufe der letzten Jahre langsam auf > 50 % gestiegen
  • der Anteil chronisch infizierter Tiere (also mehrmals in Folge > 700’000 Zellen/ml) lag zwischenzeitlich bei 15 %

Akute Viertel dagegen sind äusserst selten. Die Zellzahlen in der Ablieferungsmilch überschritten zuletzt mehrmals die kritische Grenze, so dass eine Milchliefersperrre ausgesprochen wurde.

Es bestand der Verdacht, dass Streuströme auf dem Melkstand bestehen, da die Kühe an manchen Tagen den Melkstand nur zögerlich betreten und dann viele Tiere geholt werden mussten.

Beteiligte Akteure, Herangehensweise und umgesetzte Massnahmen

Akteure Herangehensweise / Ursachenfindung und getroffene Massnahmen  Bewertung von Fachspezialist/innen¹
Hauselektriker Da die Kühe zeitweise den Melkstand nicht oder nur zögerlich betreten wollten, hat der Betriebsleiter seinen Hauselektriker zur Hilfe geholt. Diese stellte den Strom für den ganzen Betrieb ab. Trotzdem wurde auf dem Melkstand ein Kriechstrom gemessen. Bei einem Verdacht auf Streustrome sollte immer eine ausgewiesene Fachperson hinzugezogen werden. Messungen und daraus resultieren-de Anpassungen erfordern eine Kontrollberechtigung oder Fachkundigkeit gemäss Niederspannungs-Installationsverordnung. (AGRIDEA)
Aufgrund dieses Ergebnisses wurden weitere Personen hinzugezogen, um andere störende Einflüsse zu finden (Wasseradern etc.).
Verschiedene Fachpersonen (u. a. Firma zur Lokalisierung von Wasseraderm, Störstrahlen etc.) Der Verdacht auf Kriechstrom oder andere störende Elemente konnte nicht bestätigt werden.
Betriebsleiter / Bestandestierarzt Der Bestandestierarzt wurde in der Vergangenheit selten hinzugezogen, da es keine akuten Viertel gab. Auch antibiotische Trockensteller wurden sehr selten eingesetzt. Dennoch stiegen viele Tiere mit hohen Zellzahlen in die neue Laktation ein. Der Bestandestierarzt schlug vor, zunächst festzustellen, welche Erreger dieses Problem verursachen können. Es wurde entschieden, von allen Kühen mit auffälliger Zellzahl eine Milchprobe bakteriologisch zu untersuchen.
In der Mehrzahl der Fälle lag eine Infektion mit Streptococcus uberis vor. Bei 19 Kühen konnte auch Staphylococcus aureus nachgewiesen werden – teilweise in Kombination mit Streptococcus uberis jedoch meist auf einem anderen Viertel.
Melkberatung /Bestandestierarzt Nach Beobachtung der Kühe beim Melken und im Stall wurden folgende Empfehlungen ausgesprochen:

  • Wechsel der Zitzengummis auf einen kleineren Durchmesser
  • Einmal-Desinfektionstücher statt Holzwolle
  • Zwischendesinfektion der Melkaggregate mit Peressigsäure
  • Zitzendippen mit einem jodhaltigen Mittel

Die Haltungshygiene im Stall (Tiefboxen mit Stroheinstreu) war gut, dennoch wurde ein zusätzliches Einstreupulver empfohlen, um die Liegefläche trockener zu halten. Die Nackenbänder waren zu tief eingestellt, so dass viele Tiere sich nicht hinlegten und eher mit den Vorderfüssen in der Box standen. Die Nackenbänder wurden dann gekehrt. Nach dem Melken sollte frisches Futter vorgelegt werden, um den vollständigen Zitzenverschluss vor dem Abliegen zu gewährleisten.

Das Vorlegen von Futter direkt nach dem Melken sorgt dafür, dass die Tiere sich nicht ablegen und so genug Zeit vergeht, dass der Strichkanal der Zitze sich schliessen kann. Das beugt dem Eintreten von Bakte-rien und einer möglichen Mastitis vor. Gleiches gilt für trockene Liegeplätze, da Feuchtigkeit die Besiedlung von Erregern begünstigt. (AGRIDEA)
Zur Vermeidung von Neuinfektionen wurden die vom Melkberater empfohlenen Massnahmen umgesetzt.
Da ein starker Erregerdruck durch eine Vielzahl infizierter Tiere bestand, wurde zusätzlich eine Sanierungsplanung für die gesamte Herde durch eine externe Beraterorganisation angefordert.
Weitere externe Beratungsorga-nisaion Gemeinsam mit dem Landwirt wurde für jedes einzelne Tier Selektionskriterien festgelegt. Chronisch infizierte Tiere mit wenig Heilungsaussichten durch eine Therapie sollten den Betrieb zeitnah verlassen (tragende Tiere möglichst zeitnah trockenstellen und nach dem Abkalben entscheiden, ob das Tier bleibt). Gleichzeitig wurde mit dem Landwirt für die verbleibenden Tiere ein Konzept zur S. aureus Sanierung nach RGS-Leitfaden erstellt.
Behandlungswürdige Tiere wurden in Absprache mit dem Bestandestierarzt therapiert und der Heilungserfolg über Milchproben kontrolliert.
Die unbeliebte Massnahme der Aussortierung von Tieren ist Voraussetzung für den Sanierungserfolg, weil die chronisch infizierten Kühe den Infektionsdruck in der Herde sonst weiterhin hochhalten. In Betrieben mit sehr vielen infizierten Kühen, ist es ratsam, auf das selektive Trockenstellen für eine gewisse Zeit zu verzichten. Die Heilungsraten durch antibiotischen Trockenstellen sind meist besser als eine Laktationstherapie. (RGS)
Die Umsetzung der Sanierungsempfehlungen und der schmerzhafte Abgang von insgesamt 9 chronisch infizierten Tieren hat einige Zeit in Anspruch genommen. Der Betrieb konnte nach weiteren drei Monaten die Milch wieder liefern. Die Kontrolle der Zellzahlen in der Milchwägung, aber auch durch Schalmtests entscheidet zumindest temporär über die Ableitung in den Tank.

¹Kürzel in Klammern hinter den Aussagen stehen für den jeweiligen Fachexperten der Plattform Streuströme.

Légende :
Herangehensweise
Massnahme

Take Home Messages der externen Beratungsperson

  • Melkstände sollten grundsätzlich so installiert werden, dass sie keine Unruhe in die Herde bringen oder die Arbeit erschweren;
  • Dabei ist es wichtig, individuell auf die vorgegebenen Bedingungen zu achten und nicht auf Standardlösungen zu beharren;
  • Das Problem konnte in diesem Fall gut gelöst werden, da der Betriebsleiter seinem Bauchgefühl vertraut und Eigeninitiative gezeigt hat. Durch den Austausch mit Kollegen/innen und den Besuch von Weiterbildungskursen konnte er das Problem lösen. Dabei ist er offen gegenüber unterschiedlichen Störfaktoren geblieben und hat sich nicht auf ein Problem versteift;
  • Auch sollten im Optimalfall immer dieselben Bedingungen bei Licht, Geräuschen etc. im Melkstand vorherrschen, um die Tiere nicht unnötig zu beunruhigen.