Die Erfahrungsberichte schildern Fälle aus der Sicht einer Landwirtin oder eines Landwirts. In der Tabelle kommentiert ein/e Fachexpert/in den Fallverlauf.

Ausgangslage

Auf dem Betrieb wurden 34 laktierende Kühe der Rasse Holstein Friesian sowie 10 Trockensteher gehalten. Er befindet sich in den Bergzonen 1 und 2. Gemolken wurde in einem Side by Side Melkstand mit 8 Plätzen und automatischer Abnahme.

Bestehende Problematik auf dem Betrieb:

  • Kühe wurden seit 5 Jahren ungleichmässig leer, d. h. ein oder mehrere Viertel entleerte(n) sich schlecht, die anderen wurden gut ausgemolken;
  • Kühe zeigten nach dem Melken feste, gummiartige Zitzen;
  • Kühe liessen beim Liegen Milch laufen;
  • gewisse Kühe zeigten eine extrem schlechte Persistenz und stellten sich selbst trocken;
  • einige Tiere gingen etwas zögerlich in den Melkstand.

Der Tierhalter hatte in einer französischen Agrarzeitschrift einen Artikel über eine Infektion mit M. wenyonii gelesen, und sich daraufhin gefragt, ob die Symptomatik darauf hindeuten könnte. Zur medizinischen Abklärung wurde die Bestandesmedizin der Vetsuisse Fakultät herangezogen. Aufgrund der Unsicherheit der Tiere beim Betreten des Melkstandes wurde zudem der Verdacht auf Streuströme geäussert und überprüft.

Beschreibung der Symptomatik zum Zeitpunkt der Konsultation durch die Bestandesmedizin:

  • Tiere befanden sich in gutem Allgemeinzustand;
  • Euterhygiene bei 35 % der Tiere unterdurchschnittlich;
  • Kühe verhielten sich beim Melken ruhig;
  • nur 5 % der Tiere setzen im Melkstand Kot ab (Normbereich);
  • 38 % der Kühe hatten verhornte Strichkanalöffnungen (Zielwert <20 %);
  • nach dem Abhängen der Melkzeuge zeigten 32 % der Kühe eine Ringbildung an der Zitzenbasis und eine Stauung der Zitze, z. T. mit Blaufärbung;
  • die Zitzen waren vor dem Melken aber nicht gestaut sondern fühlten sich normal an.

Beteiligte Akteure, Herangehensweise und umgesetzte Massnahmen

Akteur

Herangehensweise/Ursachenfindung und getroffene Massnahmen

Bewertung von Fachspezialist/innen¹

Bestandesmedizin der Vetsuisse Fakultät, Universität Bern

Abklärung medizinischer Ursachen und Melkroutine: Beprobung aller Kühe mit Zellzahlen von >150 000 Zellen/ml und bakteriologische Untersuchung. Die Melkroutine und das Tierverhalten wurden während des Besuches beurteilt, ebenso die Auswirkungen des Melkens auf die Zitzen. Auf Wunsch des Tierhalters wurde eine Untersuchung auf M. wenyonii durchgeführt.

Aufgrund der Beobachtung der Tiere und des Melkvorganges, wurde empfohlen die Euter regelmässig zu scheren oder abzuflammen. Ebenso sollte das Vormelken eingeführt und eine strikte Melkreihenfolge eingehalten werden. Zudem wurde eine gezielte Behandlung der infizierten Kühe und Ausmerzung chronisch infizierter Kühe (> 3 Milchkontrollen mit > 500 000 Zellen/ml, kein Behandlungserfolg) empfohlen. Ebenso sollte die Anrüstzeit auf 60–90 s verlängert werden.

In den 7 genommenen Proben konnten verschiedene Erreger nachgewiesen werden: S. aureus (nicht Genotyp B!), S. uberis, andere Staphylokokken und C. bovis.

M. wenyonii Nachweis negativ.

Melkroutine: kein Vormelken, die Anrüstzeit war mit 30 s deutlich zu kurz und hat bereits zu Beginn des Melkakts zu Blindmelken geführt. Daraus ergeben sich die Veränderungen an den Zitzen. Ansonsten korrektes Vorgehen und konsequentes Zitzensprayen.

Sowohl die Euter-assoziierten Erreger (S. aureus) als auch Umweltassoziierten Erreger (S. uberis und andere Staphylokokokken) können als Verursacher für die hohen Zellzahlen angesehen werden. (Fachexpertin Veterinärmedizin)

Melkberatung ZMP

Zum Ausschluss möglicher weiterer beeinflussender Melkmaschinenfaktoren wurde eine Nassmessung der Melkmaschine sowie Messungen von Streuströmen im Melkstand durchgeführt. Letzteres aufgrund dessen, dass einige Kühe ungerne in den Melkstand kamen. Bei einigen Tieren wurden zweiphasige Lactocorderkurven beobachtet. Zudem wurden die Zitzengummis näher betrachtet.

Auch hier wurden die Verlängerung der Anrüstzeit sowie das Wechseln der Zitzengummis empfohlen.

Es waren keine Streuströme im Melkstand oder im Stall messbar.

Die zweiphasigen Lactocorderkurven bestätigen die ungenügende Melkbereitschaft. (Fachexpertin Veterinärmedizin)

¹Kürzel in Klammern hinter den Aussagen stehen für den jeweiligen Fachexperten der Plattform Streuströme.

Legende:
Herangehensweise
Massnahme

Zusätzlich zu einer Behandlung der infizierten Tiere wurden chronisch infizierte Tiere teilweise ausgemerzt. Ausserdem wurden die Zitzengummis gewechselt und vermehrt auf eine längere Anrüstzeit geachtet.

Nach Angaben des Tierhalters hat sich das Problem mit den ungleichmässig leer werdenden Kühen etwas reguliert. Seiner Meinung nach hat vor allem der Wechsel der Zitzengummis viel gebracht. Da kein Kontrollbesuch gemacht wurde, können die Änderungen der Melkroutine nicht abschliessend beurteilt werden.

Aufgrund der Untersuchungen kann gesagt werden, dass die Zellzahlen durch verschiedene Keime verursacht wurden, wobei S. aureus als übertragbarer Keim einzuordnen ist. Die Veränderungen an den Strichkanälen und die gestauten Zitzen, welche als Schädigung der natürlichen Barrieren zu interpretieren sind, haben die Infektion sicherlich begünstigt. Zusätzlich hat die ungenügende Euterhygiene vermutlich die Infektion mit Umweltkeimen begünstigt. Weder die seltene Infektion mit M. wenyonii noch die Streuströme waren im vorliegenden Fall ursächlich beteiligt, sondern eine ungenügende Melkbereitschaft durch zu kurze Anrüstzeit und ein nicht optimal passender Zitzengummi.