Die Erfahrungsberichte schildern Fälle aus der Sicht einer Landwirtin oder eines Landwirts. In der Tabelle kommentiert ein/e Fachexpert/in den Fallverlauf.

Ausgangslage

Auf diesem Milchviehbetrieb wurden, zum Zeitpunkt des Besuches durch die Rindergesundheit Schweiz, 27 Simmental-Kühe mit einer durchschnittlichen Herdenleistung von 6500 kg und saisonaler Abkalbung gehalten. Im Winter befinden sich die Kühe in einem Laufstall mit Liegeboxen. Diese sind mit Häckselstroh und Hygiene-Kalk (alle 2 Tage) eingestreut. Es gibt eine Tränke für 24 Tiere und der Schieber läuft 3 x am Tag. Im Sommer/Herbst gehen die Tiere gemeinsam mit Kühen eines anderen Betriebs auf der Alp. Nach der Alp wird noch eine hausnahe Weide bestossen. Die Galtkühe werden getrennt gehalten. Im Jahr 2013 wurde ein neuer Melkstand mit 2 x 4 Melkplätzen eingebaut. Nach einiger Zeit kam es zu verschiedenen Auffälligkeiten:

  • Kühe kommen schlecht in den Melkstand und müssen teilweise in den Melkstand geführt werden;
  • einige Kühe werden an der Fressachse mit eigener Vakuumleitung und Kessel gemolken;
  • Frischmelkkühe geben anfangs gut Milch, lassen dann aber in ihrer Melkbarkeit nach;
  • Milchabgabe ist schlecht (teilweise Oxytocingabe nötig);
  • die meisten Kühe werden durch manuelles Belasten des Aggregats und zusätzliches Ausstreifen nachgemolken;
  • häufig läuft die Milch etwa eine halbe Stunde nach dem Melken wieder;
  • massiv erhöhte und schwankende Zellzahlen (bis über mehrere Millionen/ml);
  • manchmal akute Viertel (hauptsächlich in den ersten 2 Monaten nach Kalbung).

Der Stall und der Melkstand wurden durch Fachpersonen auf Streuströme untersucht und es wurden neue Erdungen gemacht. Die Probleme waren damit allerdings nicht gelöst. Nach weiteren Massnahmen wurde im Dezember 2021  Rindergesundheit Schweiz hinzugezogen. In diesem Jahr begannen die Probleme zum Teil bereits auf der Weide und es zeigten sich vor allem ältere Kühe mit Milchfieber.

Beteiligte Akteure, Herangehensweise und umgesetzte Massnahmen

Akteur

Herangehensweise/Ursachenfindung und getroffene Massnahmen

Bewertung von Fachspezialist/innen¹

Bio-Geo-physikalischer Messtechniker

Der Stall und der Melkstand wurden in mehreren Besuchen auf Streuströme untersucht. Es waren Streuströme nachweisbar.

Aufgrund von Streuströmen wurden 2014 Erdungen erneuert. Da die Probleme allerdings bestehen blieben, wurde anschliessend noch eine Tiefenerdung vor dem Stall durchgeführt.

Elektrotechniker und Melkberatung ZMP

Da die Probleme bestehen blieben, wurden der Stall und der Melkstand erneut von Fachexperten unterschiedlicher Institutionen auf Streuströme untersucht. Zudem wurden der Melkvorgang und die Melkhygiene beobachtet. Es zeigte sich, dass die Melkdauer zu lang war. Zudem kam es bei manchen Kühen an der Zitzenbasis zur Ringbildung.

An keiner Stelle im Stall, im Melkstand oder auf der Milchleitung waren Streuströme nachweisbar.

Die generelle Überprüfung der Melkanlage führte zu keinen Auffälligkeiten. Aufgrund der Problematik beim Milchfluss, wurde empfohlen die Zitzengummis von 22 auf 23 mm umzustellen und durch Gummis mit Rundkopf auszutauschen. Die Ringbildung an der Zitzenbasis wurde auf die lange Melkdauer zurückgeführt.

Rindergesundheit Schweiz

Der Melkvorgang und Melkstand wurden genau angesehen und beurteilt.

Im Eingang des Melkstandes befindet sich eine etwa 45 cm hohe, schlecht beleuchtete Stufe, welche mit einer geriffelten Metallplatte besetzt war. Diese wies eine spiegelnde, nasse Oberfläche auf. Auch beim Ausgang des Melkstandes befand sich eine Riffelblechplatte, über die die Kühe gehen mussten. Diese war beweglich und machte laute Geräusche, sobald sie von den Kühen betreten wurde. Zudem waren die Lichtverhältnisse im Stall (eher dunkel) und im Melkstand (hell) sehr unterschiedlich.

Der Melkstand sowie die Sauberkeit der Euter waren gut. Die Klauen waren dagegen eher verschmutzt. Die Zitzen wurden mit einem Einmaltuch gereinigt, beim Melken wurden keine Handschuhe getragen, vorgemolken wurde auf den Boden und das Anhängen der Aggregate erfolgte zum Teil mit Ansaugen von Luft. Die Melkbecher wanderten mit der Zeit nach oben. Die Tiere erschienen während des Melkvorgangs grundsätzlich ruhig (2 Tiere zeigten Trippeln in den Hinterbeinen). Es gab keine spezielle Melkreihenfolge, kein Schalmtest oder Milchprobennahme. Kühe mit hohen Zellzahlen (> 350 000 Zellen/ml) wurden in einen Kessel gemolken. Es wurde ein Zweikomponenten-Dippmittel mit Non-Return Becher genutzt. Es konnten keine Vakuumschwankungen beobachtet werden. Es waren leichte Vibrationen an den Rohren spürbar.

In der Tankmilch wurde S. aureus GTB nachgewiesen.

Laute und unsichere Böden werden von Kühen nicht gerne betreten. Vermutlich sind die Kühe aufgrund der nassen, hellen und lauten Metallplatten ungerne von alleine in den Melkstand gelaufen. (AGRIDEA)

Abrupte Lichtniveauwechsel von dunkel zu hell verunsichern Kühe.  Vibrationen der Vakuumpumpe an den Rohren können die Tiere ebenfalls irritieren. (Fachexpertin Veterinärmedizin)

Da das Melkvakuum über die Fläche der Kopflochöffnung auf die Zitze wirkt, klettern grosse Zitzengummis bei gleichem Melkzeuggewicht und derselben Vakuumeinstellung. Simmental-Kühe haben selten einen Milchfluss von mehr als 5 Litern/Minute. Bei einer lang eingestellten Saugphase wird bei manchen Kühen mehr Milch abgemolken, als aus der Drüse nachfliessen kann. Die Zitzen werden zum Ende der Saugphasen leer und die Melkbecher rutschen an den schlaffen Zitzen hoch, besonders wenn der Milchfluss am Ende der Melkzeit geringer wird. Dies verlängert das Melkende, verschlechtert den Ausmelkgrad und erhöht das Nachgemelk. (Fachexpertin Veterinärmedizin)

Aufgrund des nachgewiesenen Erregers wurde bei 20 Kühen Milchproben entnommen. Das Ergebnis zeigte bei acht Kühen Str. uberis (Umweltkeim). Zudem waren andere Staphylokokken nachweisbar. S. aureus konnte dagegen in keiner Einzelmilchprobe nachgewiesen werden.

Um den Kontrast der Lichtverhältnisse und das Betreten des Melkstandes für die Kühe angenehmer zu gestalten, wurde empfohlen eine Lampe am Eingang des Melkstandes im Stallbereich anzubringen und das Metall auf dem Boden zu befestigen. Zudem sollten die Metallteile abgedeckt und die Wände des Melkstandes weiss gestrichen werden.

Empfohlen wurde das Tragen von Einmalhandschuhen während des Melkens. Um eine Verbreitung der Erreger zu vermeiden, sollte das Vorgemelk nicht mehr auf den Boden stattfinden. Beim Ansetzen des Melkzeuges sollten Lufteinbrüche vermieden und die Zitzengummis auf 22 mm Kopflochdurchmesser reduziert werden. Zudem wurde empfohlen, dass eine auf eine kürzere Saugphase (Pulsation 60:40) geachtet werden sollte.

Da die Heilungserfolge bei chronisch erhöhter Zellzahl gering sind, wurde ein Ausmerzen der betroffenen Kühe empfohlen. Alle anderen behandlungswürdigen Kühe mit S. uberis Infektion sollten durch den Bestandestierarzt behandelt werden. Bei akuten Vierteln war eine sofortige Behandlung angezeigt. Tiere mit subklinischer Mastitis (Erhöhung Zellgehalt ohne klinische Anzeichen) sollte das Ergebnis der Milchprobe abgewartet werden.

Um die Hygiene im Stall zu erhöhen wurde zudem empfohlen, den Schieber alle 2 h laufen zu lassen. Im Abkalbestall sollte vermehrt auf die Qualität des Strohs geachtet werden und Nachgeburten schnell entfernt werden.

Chronische Entzündungen führen dazu, dass narbiges Eutergewebe entsteht. Dadurch wird am Übergang Drüse/Zitze der Milchfluss häufig mechanisch behindert, was nur durch eine Straffung des Gewebes (Belastung des Aggregats) überwunden werden kann. Je älter ein Tier ist, umso mehr ist mit Bindegewebszubildungen zu rechnen. (Fachexpertin Veterinärmedizin)
Frisch gekalbte Kühe sind immer besonders empfänglich für Neuinfektionen. Deswegen immer darauf achten, dass die Umgebung dieser Tiere sehr sauber ist. (Fachexpertin Veterinärmedizin)

¹Kürzel in Klammern hinter den Aussagen stehen für den jeweiligen Fachexperten der Plattform Streuströme.

Legende:
Herangehensweise
Massnahme

Zusätzliche Empfehlungen waren:

  • regelmässiges Beproben auffälliger Kühe;
  • Spurenelementversorgung auf der Alp / Weide sicherstellen;
  • Einsatz eines speziellen Galt-Minerals sowie Milchfieberprophylaxe mit Boli um die Abkalbung.

Im Jahr 2022 wurde, nach bereits langjähriger Überlegung dazu, auf automatisches Melken umgestellt. Seitdem bestehen bei den jungen Kühen kaum mehr Probleme mit erhöhten Zellzahlen. Die alten Tiere, die chronisch hohe Zellzahlen aufwiesen, sind nach wie vor problematisch und sollen nun nach und nach ausgemerzt werden.