Prinzipien und Stufen der Agrarökologie
Das ist Agrarökologie
→ Entwicklung und Bedeutung der Agrarökologie
→ Prinzipien und Stufen der Agrarökologie
Die 10 Elemente der FAO
Die 10 Elemente der Agrarökologie entstanden in einem partizipativen Prozess mit verschiedenen Beteiligten, um ein anpassbares und optimierbares Systemdesign für lokale Gegebenheiten zu entwickeln. Zwischen 2015 und 2019 wurde dieses Rahmenwerk erarbeitet, das ökologische, soziale und politische Aspekte vereint. Im Jahr 2019 genehmigten die 197 FAO-Mitgliedstaaten es als Leitfaden zur Förderung nachhaltiger Landwirtschaft- und Ernährungssysteme.
Beschrieb der 10 Elemente

Vielfalt fördern: Ein Schlüsselelement der Agrarökologie ist der Aufbau einer Vielfalt von Arten und genetischen Ressourcen.

Gemeinsame Wissensgenerierung: Lokalen Herausforderungen kann besser begegnet werden, wenn neue Ideen, Technologien oder Methoden in der Landwirtschaft gemeinsam mit den betroffenen Menschen entwickelt werden.

Synergien nutzen: Das Schaffen von Synergien stärkt zentrale Funktionen in den Lebensmittelsystemen und fördert sowohl die Produktion als auch verschiedene Ökosystemdienstleistungen.

Effizienz steigern: Durch eine clevere Nutzung der natürlich vorhandenen Ressourcen soll einen höhere Produktion bei gleichzeitig geringerem Einsatz externer Ressourcen erzielt werden.

Recycling betonen: Die wirtschaftlichen und ökologischen Kosten sollen durch die Wiederverwendung von Ressourcen in der landwirtschaftlichen Produktion gesenkt werden.

Resilienz aufbauen: Ein ausgewogenes Zusammenspiel der verschiedenen Elemente im Landwirtschafts- und Ernährungssystem stärkt die Widerstandsfähigkeit von Menschen und Ökosystemen gegenüber Störungen.

Menschliche und soziale Werte achten: Der Schutz und die Verbesserung der Lebensgrundlagen, der Gerechtigkeit und des sozialen Wohlergehens hilft Menschen und Gemeinschaften ihre Autonomie zu stärken und soziale Ungleichheiten zu überwinden.

Kultur und Ernährungstraditionen stärken: Eine gesunde, ausgewogene und kulturell angepasste Ernährungsweise trägt zur Ernährungssicherheit bei und schützt gleichzeitig das Ökosystem.

Verantwortungsbewusstes Handeln etablieren: Der gerechte Zugang zu Land und die nachhaltige Nutzung natürlichen Ressourcen soll durch eine transparente, verantwortungsvolle und einbeziehende Regierungsführung gewährleistet werden.

Kreislauf- und Solidaritätswirtschaft fördern: Durch die Förderung einer Kreislaufwirtschaft und die Stärkung kurzer Lebensmittelkreisläufe werden Produzenten und Konsumenten enger miteinander verbunden, wodurch die Einkommen der Erzeuger gesteigert und faire Preise für Verbraucher gesichert werden.
Bildquelle: FAO, The 10 Elements of Agroecology
Die 13 Prinzipien der HLPE
Das Hochrangige Expertengremium für Ernährungssicherheit (HLPE) hat die 10 Elemente zur Agrarökologie der FAO weiter vertieft und analysiert. Das HLPE betont, dass es keine „Einheitslösung“ für die Herausforderungen unseres Ernährungssystems gibt. Im Jahr 2019 schlägt das HLPE in ihrem Bericht vor, die 10 FAO-Elemente durch drei Entwicklungsziele zu ergänzen:
- Verbesserung der Ressourceneffizienz
- Stärkung der Widerstandsfähigkeit
- Sicherung der sozialen Gerechtigkeit und Verantwortung
Ausserdem wurden 13 Prinzipien der Agrarökologie definiert. Wie auch die 10 Elemente der FAO sind diese Prinzipien international anerkannt. Die Prinzipien stimmen mit den 10 Elementen der Agrarökologie überein, präzisieren aber die Anforderung an die Gesundheit von Boden und Tieren. Zudem konkretisieren sie das Element Vielfalt, indem sie zwischen Biodiversität und wirtschaftlicher Diversifizierung unterscheiden.
Die 13 Prinzipien der Agrarökologie
1. Recycling
Die Verwendung von lokalen und erneuerbaren Ressourcen wird gefördert.
Nährstoff- und Biomassekreisläufe werden so weit wie möglich geschlossen.
2. Inputreduktion
Die Abhängigkeit von zugekauften Produktionsmitteln wird reduziert oder eliminiert und die Eigenständigkeit erhöht.
Dies bezieht sich u.a. auf synthetische Hilfsstoffe, die durch natürlichere Produktionsmittel oder ökologische Bewirtschaftungsmethoden ersetzt werden können.
3. Bodengesundheit
Die Gesundheit und Funktionsfähigkeit der Böden werden erhalten und verbessert, um das Pflanzenwachstum zu fördern – insbesondere durch den Aufbau organischer Substanz und die Stärkung der biologischen Aktivität.
4. Tiergesundheit
Das Tierwohl und die Gesundheit der landwirtschaftlichen Nutztiere werden sichergestellt.
5. Biodiversität
Die Artenvielfalt auf dem Feld, dem Betrieb und in der Landschaft wird kurz- als auch langfristig erhalten und gefördert. Dies umfasst die biologische, genetische und funktionale Vielfalt von Agrarökosystemen.
6. Synergien erzeugen
Positive ökologische Interaktionen, Synergien, Integration und Ergänzungen der Elemente im Agrarökosystem (Tiere, Pflanzen, Bäume, Boden, Wasser) werden gefördert.
7. Wirtschaftliche Diversifizierung
Die Einkommensquellen auf landwirtschaftlichen Betrieben diversifizieren und absichern, um die finanzielle Unabhängigkeit zu stärken, neue Wertschöpfungsmöglichkeiten zu schaffen und besser auf die Nachfrage von Konsument/-innen einzugehen.
8. Gemeinsame Wissensgenerierung
Das gemeinsame Generieren von Wissen und das Teilen von Wissen auf Augenhöhe werden gefördert, insbesondere durch den Austausch zwischen Landwirtinnen und Landwirten. Dies umfasst auch Erkenntnisse zu lokalen und wissenschaftlichen Innovationen.
9. Soziale Werte und Ernährungsweisen
Das Ernährungssystem ermöglicht eine gesunde, abwechslungsreiche, saisonale und kulturell angepasste Ernährung. Dabei werden die Kultur, die Identität und die Traditionen der lokalen Bevölkerung berücksichtigt und die Geschlechtergerechtigkeit gefördert.
10. Fairness
Eine würdevolle und stabile Lebensgrundlage für alle Agierenden im Ernährungssystem wird gefördert – basiert auf fairem Handel, fairen Arbeitsbedingungen und einem gerechten Umgang mit Eigentumsrechten.
11. Konnektivität
Die Vernetzung und das Vertrauen zwischen Produzent/-innen und Konsument/-innen wird gestärkt., indem faire und kurze Vermarktungswege gefördert werden und Ernährungssysteme wieder in die lokale Wirtschaft eigebettet werden.
12. Verwaltung von Land und natürlichen Ressourcen
Natürliche Ressourcen wie Land, Saatgut, Wasser, Boden, Artenvielfalt aber auch Wissen bleiben in der Hand der Menschen, die Nahrungsmittel erzeugen.
Institutionelle Strukturen, gesetzliche Grundlagen und politische Massnahmen, die dies unterstützen werden gestärkt bzw. geschaffen.
13. Beteiligung
Die aktive Beteiligung von Produzent/-innen und Konsument/-innen an Entscheidungsprozessen wird gestärkt. Gleichzeitig werden Formen der sozialen Organisation auf verschiedenen Ebenen des Ernährungssystems gefördert, um Machtverhältnisse aufzubrechen.
Quellen: Ein Leitbild der Transformation von C. Kummer & J. Jacobi (2023), Infografik der Agrarökologie-Koalition, Bericht der HLPE.
Transformationsstufen nach Gliessman
Im Gegensatz zu etablierten Nachhaltigkeitslabels basiert die Agrarökologie auf diesen Prinzipien und nicht auf festen Regeln. Das bedeutet, dass Wissenschaft und Politik zielgerichtet unterstützen sollen, anstatt zu diktieren. Ziel ist es, die Prinzipien nicht als isolierte Aspekte zu betrachten, sondern sie gemeinsam umzusetzen und in Wechselwirkung miteinander anzuwenden. Je nach Standort können die Prinzipien unterschiedlich umgesetzt werden, um einen gerechten Umgang mit Mensch, Natur, Tier und Fortschritt zu gewährleisten.
Die Transformationsstufen nach Gliessman beschreiben, wo die Prinzipien der Agrarökologie konkret umgesetzt werden können und welche Veränderungen auf landwirtschaftlichen Betrieben, im Konsum und in der Gesellschaft stattfinden sollen.
Die ersten drei Stufen fokussieren sich auf die Ebene des Agrarökosystems und beschreiben die Massnahmen, welche auf Landwirtschaftsbetrieben und in Landschaften umgesetzt werden können. Stufe vier und fünf sprechen das Ernährungssystem an. Massnahmen auf dieser Ebene können nur umgesetzt werden, wenn auch die Gemeinschaften innerhalb des Ernährungssystems mitwirken und wir uns auch als Gesellschaft wandeln.
Diese zwei Ebenen verdeutlichen, dass die Umgestaltung oder auch Transformation unseres Ernährungssystems nicht nur durch einen Veränderung in der landwirtschaftlichen Produktion erfolgt, sondern auch davon abhängig ist, dass sich die Gesellschaft verändert.
Beschrieb der Transformationsstufen
Die ersten beiden Stufen sind graduell. Das heisst, bestehende Prozesse und Praktiken werden schrittweise verbessert oder angepasst ohne sie grundlegend zu verändern.
Die Stufen drei bis fünf sind transformativ, was eine tiefgreifende und umfassende Veränderung bedeutet. Die Veränderung soll neue Modelle, Paradigmen oder Systeme hervorbringen und das Fundament des Ernährungssystems nachhaltig umgestalten.
Stufe 1
Verbesserung der Effizienz vom Input-Einsatz
Diese Stufe konzentriert sich auf die Optimierung des Einsatzes von externen Ressourcen wie Düngemitteln und Pestiziden, um die Einträge von aussen zu reduzieren. Es wird versucht, konventionelle Praktiken umweltfreundlicher zu gestalten, ohne die grundlegenden Strukturen der Landwirtschaft zu verändern.
Integrationsebene: Landwirtschaftlicher Betrieb
Prozess: Graduell
Prinzipien: Recycling, Inputreduktion
Stufe 2
Substitution von externen Inputs
Hier werden schädliche chemische Inputs durch biologischere Alternativen ersetzt, beispielsweise natürliche Düngemittel oder mechanischen Alternativen zu Pestiziden. Anstatt synthetische Stoffe zu verwenden, werden ökologisch verträglichere Methoden genutzt.
Integrationsebene: Landwirtschaftlicher Betrieb
Prozess: Graduell
Prinzipien: Bodengesundheit, Tierwohl
Stufe 3
Neugestaltung des Agrarökosystems
In dieser Stufe wird das gesamte landwirtschaftliche System umgestaltet, um ökologische Prozesse zu etablieren. Dies bedeutet, dass die biologische Vielfalt, die Fruchtfolge und die Synergien zwischen Pflanzen, Tieren und Böden verbessert werden.
Integrationsebene: Landschaftsebene / Wassereinzugsgebiete
Prozess: Transformativ
Prinzipien: Biodiversität, Synergien erzeugen*, Wirtschaftliche Diversifizierung
Stufe 4
Umgestaltung der Ernährungssysteme
Diese Stufe betrachtet das gesamte Ernährungssystem. Sie umfasst lokale Märkte, kurze Lieferketten und eine Verbindung zwischen Produzenten und Konsumenten. Es wird versucht, Ernährungssysteme so zu gestalten, dass sie widerstandsfähiger und sozial gerechter sind.
Integrationsebene: Lokale Bevölkerung
Prozess: Transformativ
Prinzipien: Gemeinsame Wissensgenerierung*, Soziale Werte und Ernährungsweisen, Konnektivität zwischen Produzent/-innen und Konsument/-innen
Stufe 5
Aufbau eines neuen globalen Ernährungssystems – nachhaltig & gleichberechtig
Die letzte Stufe geht über die Produktion hinaus und zielt darauf ab, die Gesellschaft zu verändern. Es soll ein neues globales Ernährungssystem errichtet werden, das auf Gleichheit, Teilhabe und Gerechtigkeit basiert. Dazu gehört, soziale agrarökologische Bewegungen zu stärken und politische Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Schutz des Lebenserhaltungssystem der Erde ermöglichen.
Integrationsebene: Gesellschaftliche Ebene
Prozess: Transformativ
Prinzipien: Gerechtigkeit, Verwaltung von Land und natürlichen Ressourcen, Beteiligung
*
Prinzip steht mit den übrigen Prinzipien in wechselseitiger Beziehung

Bildquelle: Ewert, F., Baatz, R., Ringer, R. (2023). Agroecology for a sustainable agriculture and food system: form local colutions to large-Scale adaption. Annu. Rev. Resour. Econ. 15:351-81 [Übers. d. AGRIDEA]
Agrarökologie in der Schweiz →
Hinweise, Ergänzungen, Anregungen und Kommentare nehmen wir gerne entgegen →