Die Erfahrungsberichte schildern Fälle aus der Sicht einer Landwirtin oder eines Landwirts. In der Tabelle kommentiert ein/e Fachexpert/in den Fallverlauf.

Ausgangslage

Auf diesem Zuchtbetrieb wurden, zum Zeitpunkt des Besuches durch die Bestandesmedizin der Vetsuisse Fakultät Bern, 25 melkende Braunviehkühe sowie acht Galtkühe in Anbindehaltung gehalten. Gemolken wurde mittels einer Absauganlage. Der Betrieb liegt ruhig, ohne Starkstromanlagen oder Bahnlinien in der Nähe. Auf dem Betrieb gab es zum Zeitpunkt der Untersuchungen mehrere Melker/-innen. Sie folgten einer strengen Melkroutine, welche auch durchgesetzt wurde. Aufgrund der Teilnahme an Zuchtschauen wurden die Zuchttiere regelmässig (bis zu 1 Mal/Woche) gewaschen.

Im September 2020 wurde die Bestandesmedizin der Wiederkäuerklinik der Vetsuisse Fakultät in Bern konsultiert, da die theoretische Tankzellzahl (gewichteter Mittelwert aus Einzelproben) auf bis zu 600 000/ml erhöht war. Ansonsten bestanden keine Auffälligkeiten in der Herde.

Sechs Monate vor der Konsultation der Bestandesmedizin, konnten Streuströme auf der Milchleitung festgestellt werden. Diese wurden vermutlich durch die Steuerungsgeräte der im Stall vorhandenen Ventilatoren ausgelöst. Nach entsprechenden Massnahmen konnten keine Streuströme mehr nachgewiesen werden. Die Zellzahlen blieben allerdings nach wie vor hoch (bis 600 000/ml), weshalb die Bestandesmedizin hinzugezogen wurde.

Zur Zeit des Besuches wurde der Vorplatz des Betriebes neu betoniert, wobei auch neue Erdungspunkte gesetzt wurden.

Beteiligte Akteure, Herangehensweise und umgesetzte Massnahmen

Akteur

Herangehensweise/Ursachenfindung und getroffene Massnahmen

Bewertung von Fachspezialist/innen¹

Melkberatung des ZMP

Angeregt durch die Melkberatung wurden die Milchleitungen, durch eine fachkundige Person, auf Streuströme untersucht. Die nachgewiesenen Streuströme konnten auf die Steuerungsgeräte der im Stall vorhandenen Ventilatoren zurückgeführt werden.

Die Steuerungsgeräte wurden neu geerdet. Bei einer Nachkontrolle konnten keine Streuströme mehr nachgewiesen werden. Die hohen Zellzahlen blieben bestehen.

Betreuender Tierarzt

Aufgrund der wiederkehrend hohen Zellzahlen wurden Milchproben genommen, um stark betroffene Kühe zu finden und allfällige Erreger festzustellen.

Wenn die Zellzahl nur leicht erhöht (zwischen 15 –200 000/ml) ist, ist eine Laktationsbehandlung nicht zwangsläufig sinnvoll. Liegen die Probleme bereits länger vor oder ist die Symptomatik sehr ausgeprägt macht eine Behandlung Sinn. Spätestens beim Trockenstellen, sollten die Tiere aber behandelt werden, sofern dies möglich ist (Resistenztests durchführen!). (Fachexpertin Veterinärmedizin)

Nachweis verschiedener Staphylokokken-Arten (nicht-aureus Staphylokokken), welche nur teilweise behandelt werden mussten bzw. konnten.

Bestandesmedizin Vetsuisse-Fakultät, Universität Bern

Um alle möglichen Ursachen auszuschliessen, wurden die Kühe, die allgemeine Stallhygiene, die Liegeboxenhygiene sowie das Stallklima betrachtet.

Die Melkroutine wurde beobachtet und auf Konsistenz geprüft. Zudem wurden die Kühe beim Melken beobachtet.

Ausserdem wurden bei den Kühen mit hohen Zellzahlen Schalmtests durchgeführt. Kühe, die dabei einen Schalmtest mit mindestens 2 Kreuz positiv zeigten, wurden mit einer sterilen Milchprobe beprobt.

Auf Wunsch des Betriebsleiters wurde zusätzlich die Spurenelementversorgung der Tiere geprüft.

Das allgemeine Erscheinungsbild der Kühe war ohne Befund. Sie zeigten generell im Stall oder beim Melkvorgang keinerlei Anzeichen von Nervosität (z. B. kein Abtreten des Melkzeugs). Das Stallklima und die Stallhygiene waren ebenfalls sehr gut.

Die Melkarbeiten wurden konsistent und korrekt durchgeführt. Lediglich von dem bis dahin genutzten Dippmittel wurde abgeraten.

Bei den gezielt beprobten Kühen, konnten unterschiedliche Erreger festgestellt werden (Streptococcus uberis, Hefen und verschiedene andere Staphylokokken (nicht-Aureus Staphylokokken)). Infolgedessen wurden Resistenztests durchgeführt, um die passende Behandlungsstrategie zu finden. Dabei wurde ein Stamm mit hoher Resistenz identifiziert, bei welchem keine sinnvolle Behandlung durchgeführt werden konnte. Die Infektionen mit S. uberis wurden behandelt. Es wurde empfohlen die chronisch infizierten Tiere auszumerzen.

Kuhseitig wurde die Spurenelementversorgung geprüft und war in Ordnung.

Zudem wurde dem Betriebsleitenden empfohlen die Tiere weniger häufig zu waschen, um die Hautbarriere nicht zu stören.

Das regelmässige Waschen der Tiere kann negative Auswirkungen auf die Hautflora haben und so ebenfalls die Immunreaktion des Tieres beeinflussen. (Fachexpertin Veterinärmedizin)

Betriebsleiter

Zusätzlich zu den genannten Untersuchungen und Massnahmen wurde eine Futtermittelanalysen durchgeführt, um einen Befall mit Mykotoxinen ausschliessen zu können.

Mykotoxine können eine Grundwirkung auf den Immunstatus der Kühe haben, was häufig in Euterreaktionen sichtbar wird. (Fachexpertin Veterinärmedizin)

Die untersuchten Futtermittel waren frei von Mykotoxinen.

¹Kürzel in Klammern hinter den Aussagen stehen für den jeweiligen Fachexperten der Plattform Streuströme.

Legende:
Herangehensweise
Massnahme

Zusätzlich zu den Behandlungen, wurden auch die von der Bestandesmedizin ausgesprochenen Empfehlungen, wie

  • der Wechsel auf ein jodbasiertes Dippmittel;
  • die Ausmerzung der chronisch infizierten Tiere;
  • weniger häufiges Waschen der Tiere;

durch den Betriebsleiter umgesetzt. Hierdurch zeigte sich insgesamt eine deutliche Verbesserung der Zellzahlen.

Aufgrund der vorhandenen Baustelle und neu eingebrachten Erdungspunkte, bekam der Betriebsleiter darüber hinaus den Tipp auch hier nochmals auf Streuströme zu testen. Eine entsprechende Prüfung erwies sich als negativ. Es konnten keine weiteren Streuströme nachgewiesen werden.