Die Erfahrungsberichte schildern Fälle aus der Sicht einer Landwirtin oder eines Landwirts. In der Tabelle kommentiert ein/e Fachexpert/in den Fallverlauf.

Ausgangslage

Ein Betrieb mit 55 Kühen in der Talzone baute vor ca. 30 Jahren den vorhandenen Kuhstall in einen Laufstall um, was mit dem Einbau eines Melkstandes einherging. Im Jahr 2008 stellte der Betrieb auf das Melken in einem Melkroboter um. Bereits im Melkstand, jedoch noch deutlicher im Roboter, traten vermehrt Symptome auf:

  • zögerliches Betreten des Melkstandes/Roboters → Treiben in den Melkstand/Roboter erforderlich;
  • deutlich erhöhte Zellzahlen und häufig vorkommende Euterentzündungen;
  • Abschlagen des Melkzeugs;
  • vermehrtes Abkoten beim Melken.

Zudem konnte beobachtet werden, dass das Wetter die Symptomatik beeinflusste. Bei nassem Wetter wurde eine stärkere Reaktion der Tiere beobachtet als bei trockenem Wetter.

Beteiligte Akteure, Herangehensweise und umgesetzte Massnahmen

Akteur/in Herangehensweise / Ursachenfindung und getroffene Massnahmen Bewertung von Fachspezialist/innen¹
Tierarzt/Tierärztin Auf Grund der hohen Zellzahlen wurden von allen Tieren einmalig Viertelgemelksproben und regelmässig Tankmilchproben entnommen. Die Befunde zeigten keine Auffälligkeiten und auslösende Erreger.
Zur Verbesserung der Liegeboxenhygiene wurde zusätzlich zur Einstreu Kalk verwendet.
Melktechnikberatung Melkstand Prüfung der Melkanlage und Vakuum-Einstellungen. Die Ursachen für die Probleme wurden beim eigentlichen Melkvorgang gesucht.
Die Erdung des Melkgestänges im Melkstand wurde optimiert. Ebenso wurden die Milchleitungen aus Chromstahl getrennt und Kunststoffstücke als Trennstücke eingebaut.
Melktechnikberatung Roboterfirma Messungen am Roboter zeigten, dass deutliche Fehlstromwerte vorherrschten.
Die Zitzengummis wurden auf Grund der Routinewartungen am Roboter regelmässig und im vorgesehenen Intervall gewechselt, weshalb auch der Einfluss des Zitzengummis bezüglich Zellzahlen ausgeschlossen werden konnte.
Empfehlung des Beraters an Elektrofachspezialist/in des ESTI.
Elektrofachspezialist/in des ESTI Tiefgründige Messungen im gesamten Betrieb im Januar 2014 zeigten Fehlerquellen im Stromnetz auf. Nach Abhängen des gesamten Betriebes vom Stromnetz konnte noch immer Strom gemessen werden. Erst nach Abhängen aller Erdungen floss kein Strom mehr, was darauf hindeutete, dass der Strom über die Erdungen in den Betrieb gelangte. Es stellte sich heraus, dass dies über die Hauptwasserleitung erfolgte, die mit der Erdung des Betriebsgebäudes verbunden war. Ebenfalls verbunden mit der Hauptwasserleitung war die nahe gelegene Trafostation, die sich 300 Meter vom Stallgebäude entfernt befindet und für den Stromfluss und die Berührungsspannungen >1V in den Betrieb verantwortlich war. Von dieser Trafostation kamen Ausgleichsströme auf den Betrieb. Somit wurde das Hauptproblem identifiziert und es konnten Massnahmen zur Behebung der Streustromquelle durchgeführt werden. Die Berührungsspannung betrug >1V zwischen Melkstand und Wasserleitung. Die Erdung des Ökonomiegebäudes war im Verhältnis 1:4 besser als die Erdung der Trafostation des EW. Das heisst, dass der Hauptanteil der Ausgleichsströme der Trafostation 16 kV zurück in die landwirtschaftlichen Gebäude floss. (amo)
Trennung der Wasserleitung und Einbau eines Kunststoffstückes, um den Stromfluss von der Trafostation über die Wasserleitung in den Betrieb zu vermeiden.

Die anderen Gebäude waren an die Wasserleitungen geerdet und mit der Trafostation über die EW- Zuleitungen verbunden. (amo)

Installation eines zentralen Erdungspunktes, an dem alle Erdungsleiter aus dem Stallgebäude über eine Potenzialausgleichsschiene zusammengeführt werden.

Die Erdungen waren ein System von Serie- und Parallelschaltung die Differenzspannungen waren so nicht zu lösen. (amo)

Melkroboter, Vakuumpumpe und Milchtank haben keine leitfähigen Verbindungen mehr zum Boden. Isolierte Aufstellungen gemäss Normen für Frequenzumformer. (amo)
Die gesamte Melkanlage inklusive Kompressor, Melkleitung etc. ist nun separat mit einem Erdungsleiter ausgestattet und wird über den zentralen Erdungspunk in die Erde und nicht über das Gehäuse auf den Boden abgeleitet. Die Potenzialdifferenzen werden nun über den Schutzpotenzialausgleich ausgeglichen. (amo)

¹Kürzel in Klammern hinter den Aussagen stehen für den jeweiligen Fachexperten der Plattform Streuströme.

Legende:
Herangehensweise
Massnahme

Alle Massnahmen wurden nicht auf einmal, sondern Stück für Stück umgesetzt, da jede Veränderung am Strom einer gewissen Umstellungszeit bedarf und erst einmal eine Verschlechterung des Zustandes der Tiere mit sich bringt. Nachdem der Landwirt die Messgeräte durch den Elektrofachspezialisten kennenlernte, schaffte er sich selbst eine Leckstromzange an, um die Veränderungen nach Umsetzung der jeweiligen Massnahme selbst überprüfen zu können.

Nachdem im Jahr 2014 alle Massnahmen und Verbesserungen vorgenommen wurden und das Vertrauen der Kühe in die Melkanlage wieder aufgebaut wurde, besserten sich die Symptome allmählich und im Jahr 2015 kehrte Ruhe ein. Die Kühe betraten freiwillig den Roboter und die Zellzahlen und der damit verbundene wirtschaftliche Schaden reduzierte sich. 2019 wurden ca. 3 mA am Melkroboter und ca. 1,5 mA am zentralen Erdungspunkt gemessen, vorher konnten an der Erdung 700mA gemessen werden. Die Berührungsspannung sank auf < 1 V.

Take Home Messages des Landwirts

  • Der Kostenaufwand für die Messungen durch den Fachspezialisten wurde schnell durch die hohen Kosten der verworfenen Zellenmilch kompensiert.
  • Massnahmen an der Elektroinstallation sollten immer Stück für Stück und mit einhergehender Tierbeobachtung umgesetzt werden.
  • Nach erfolgreicher Umsetzung der Massnahmen benötigt es Zeit – bis zu einem halben Jahr – bis wieder Normalität in der Herde einkehrt.