RISE (Response-Inducing Sustainability Evaluation)
Schlüsselmerkmale

| Toolname | RISE (Response-Inducing Sustainability Evaluation) |
| Ursprung / Eigentümer / Auftraggeber der Entwicklung des Instruments | Entwickelt an der Berner Fachhochschule – HAFL (Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften) |
| Sprache(n) | RISE 4.0 Deutsch, Englisch (weitere Sprachen werden nach Bedarf implementiert) RISE 3.0 Deutsch, Englisch, Französisch, Dänisch, Spanisch, Ukrainisch, Portugiesisch |
| Entstehungsjahr und Markteinführungsjahr | Entwicklung seit 1999; kontinuierliche Weiterentwicklung, aktuell in Version 4.0 verfügbar |
| Geographisches Gebiet der Nutzung (Land) | Weltweit – bisher in über 60 Ländern auf mehr als 6’000 landwirtschaftlichen Betrieben angewendet. Die meisten Anwendungen wurden in Deutschland, Schweiz, Dänemark, Armenien, Mexiko, Ecuador, Bolivien, Brasilien gemacht. |
| Kosten für den Nutzer | Die Nutzung von RISE ist kostenpflichtig. Die Preise variieren je nach Zielgruppe: Forschung & Beratung: Jahreslizenz für 1 Benutzer*in: CHF 740 Schulen: Lizenzpaket für 1 Lehrperson + 30 Studierende: CHF 970 pro Jahr Studierende: Einzelplatzlizenz: CHF 290 pro Jahr Im Preis enthalten sind Support, Zugang zur Software, Arbeitsmaterialien. Weitere Benutzerlizenzen oder Supportleistungen kosten zusätzlich. Weitere Informationen zu den Lizenzmodellen finden Sie auf der RISE-Website. |
| Zielgruppe / Analyseebene | RISE richtet sich primär an landwirtschaftliche Betriebe und deren Beratungspersonen, eignet sich aber auch für Forschungseinrichtungen, NGOs und Bildungseinrichtungen im Agrarbereich. Die Anwendung erfolgt auf betrieblicher Ebene, wobei der einzelne Betrieb als Analyseobjekt im Zentrum steht. Durch die standardisierte Erhebung der Daten können mehrere Betriebe zusammengeführt (aggregiert) und ausgewertet werden. Dadurch lassen sich überbetriebliche Aussagen zu Regionen, Betriebsgruppen oder Branchen ableiten – etwa zur Nachhaltigkeitssituation in einem Tal, einer Anbauregion oder einem Produktionszweig. RISE ist somit sowohl für individuelle Betriebsanalysen als auch für systematische Vergleiche und strategische Entscheidungsgrundlagen auf höherer Ebene geeignet. |
| Definition und Dimensionen der Nachhaltigkeit | RISE basiert auf dem Nachhaltigkeitsverständnis der WCED (1987): Entwicklung soll die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigen, ohne künftige Generationen zu gefährden. Dieses Konzept wird in RISE konkretisiert, indem Betriebsdaten in verschiedenen Handlungsfeldern mit Zielwerten verglichen werden, die aus dieser Definition abgeleitet sind. Bewertet werden unter anderem Bodennutzung, Wasser, Biodiversität, Arbeitsbedingungen, Wirtschaftlichkeit und Betriebsführung. RISE folgt einem integralen, anthropozentrischen und dynamischen Nachhaltigkeitsverständnis: Anthropozentrisch, da die Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse im Zentrum steht. Dynamisch, weil nicht nur Zustände, sondern auch Entwicklungen und Trends bewertet werden. Integral, weil ökologische, ökonomische und soziale Aspekte gleichwertig berücksichtigt und miteinander verknüpft werden. RISE orientiert sich an einer «sensiblen Nachhaltigkeit»: Ein begrenzter Ersatz natürlicher Ressourcen durch menschliches Kapital ist möglich, solange ökologische Leitplanken eingehalten werden. |
Funktionsweise und Methode
Erläuterung des Instruments und Ziele
RISE (Response-Inducing Sustainability Evaluation) ist ein Instrument zur umfassenden und systematischen Beurteilung der Nachhaltigkeit landwirtschaftlicher Betriebe. Die Ergebnisse machen die Stärken und Schwächen des Betriebs sichtbar.
Ziel von RISE ist es, Betriebsleiterinnen eine Grundlage zur Reflexion und Weiterentwicklung ihrer Nachhaltigkeitspraktiken zu bieten. Die Resultate dienen nicht nur zur Statusanalyse, sondern insbesondere als Ausgangspunkt für die Entwicklung eines betriebsspezifischen Nachhaltigkeitsmanagements.
In einem dialogorientierten Prozess werden gemeinsam mit der Betriebsleitung konkrete Handlungsoptionen abgeleitet. Dabei hilft RISE, eine Auslegeordnung möglicher Massnahmen zu schaffen, diese nach betrieblichen Interessen und vorhandenen Ressourcen zu priorisieren sowie eine zeitliche Planung zu erstellen.
Verwendung und Anwendung
Die Anwendung von RISE erfolgt in der Regel durch geschulte Personen –Beratende, Forschende oder Studierende – im Rahmen eines strukturierten Interviews mit der Betriebsleitung. Dieses Interview dauert etwa 4 bis 6 Stunden. Die anschliessende Datenauswertung und Berichterstellung erfordern weitere 4 bis 6 Stunden, Feedbackgespräch 2-3 Stunden je nach Komplexität des Betriebs und Erfahrung der durchführenden Person.
RISE ist nicht für eine reine Selbsteinschätzung gedacht, sondern wird vorzugsweise durch Dritte angewendet, die dafür spezifisch geschult wurden. Die Datenerhebung basiert auf einer Mischung aus Betriebsangaben, Dokumentenanalyse und Expertenschätzung, ergänzt durch Beobachtungen vor Ort.
Es ist eine Schulung notwendig, um das Tool professionell anzuwenden. Zur Qualitätssicherung und Verbreitung des Instruments bietet die BFH HAFL regelmässig Online-Schulungen an. In diesen Schulungen wird der gesamte RISE-Prozess – von der Datenerhebung über die Auswertung bis zur Beratung, durchgespielt und begleitet. Die Teilnehmenden führen eigenständig eine komplette Analyse durch und erhalten während des Prozesses fachliche Unterstützung. Die Schulungen finden in mehreren Etappen über einen Zeitraum von mehreren Wochen statt und richten sich an Interessierte aus Beratung, Forschung und Lehre.
Angewendete Methode
RISE basiert auf einem indikatorengestützten Bewertungsansatz, der quantitative, semi-quantitative und qualitative Daten kombiniert. Diese werden im Rahmen eines strukturierten Interviews erhoben. Die Auswertung erfolgt mithilfe von Bewertungsfunktionen, die die Betriebsdaten mit vordefinierten Referenzwerten vergleichen und die Ergebnisse auf einer Skala von 0 bis 100 normalisieren – 100 steht für eine vollständig nachhaltige Praxis, 0 für eine inakzeptable Situation. Die Bewertungen werden zusätzlich mit Ampelfarben (grün, gelb, rot) visualisiert.
Aus mehreren Indikatorwerten ergibt sich durch Mittelung ein Themenwert. Die Resultate werden im Nachhaltigkeitspolygon grafisch zusammengeführt und in Tabellen dargestellt.
Mit der neuen Version RISE 4.0 ist die Methode flexibler geworden: Der Interviewprozess kann gezielt auf die Interessen der Betriebsleitenden ausgerichtet werden. Es ist möglich, sich auf ausgewählte Indikatoren zu konzentrieren, ohne den gesamten Fragenkatalog durchzuarbeiten. Zusätzlich stehen vereinfachte oder detaillierte Indikatorvarianten zur Verfügung. Dies erlaubt eine effizientere Nutzung der verfügbaren Zeit und eröffnet die Option, die Analyse schrittweise im Rahmen mehrerer Betriebsbesuche durchzuführen – insbesondere, wenn eine längerfristige Begleitung im Sinne eines betrieblichen Nachhaltigkeitsmanagements angestrebt wird.
RISE erlaubt zudem die regionale Anpassung von Bewertungsfunktionen und Vergleichswerten (z. B. nach Klimazone), um sowohl der globalen Anwendbarkeit als auch der lokalen Relevanz gerecht zu werden.
Angewendete Indikatoren
RISE verwendet 47 Indikatoren, die zehn Themenfeldern zugeordnet sind und ökologische, ökonomische und soziale Aspekte der Nachhaltigkeit abdecken – darunter z. B. Biodiversität, Düngung, Energie, Arbeitsbedingungen oder wirtschaftliche Stabilität.
Je nach Datengrundlage werden unterschiedliche Bewertungsformen angewendet:
- Quantitative Daten (z. B. kg Stickstoff/ha) werden rechnerisch auf die Skala von 0 bis 100 normalisiert.
- Semi-quantitative (z. B. «ja / teilweise / nein») und qualitative Angaben (z. B. eingesetzte Technik) erhalten standardisierte Punktwerte (z. B. 100 / 50 / 0).
Einige Indikatoren sind einfach aufgebaut (z. B. Biodiversitätsmanagement mit flächengewichteten Teilindikatoren), während andere komplexer sind und mehrere Berechnungsschritte oder externe Daten erfordern (z. B. Humusbilanz oder Produktionsintensität).
Die Schwellenwerte und Bewertungsmassstäbe orientieren sich an verschiedenen Kriterien wie gesetzlichen Anforderungen, systemischer Belastbarkeit, Selbsteinschätzung, dem betrieblichen Entwicklungspotenzial oder der Einordnung im Vergleich zu anderen Betrieben. Sie können bei Bedarf regional kalibriert werden.
Beispiel für einen konkreten Anwendungsfall
Einsatz in Beratungsprojekten weltweit – z. B. zur Nachhaltigkeitsbewertung von Kaffeebetrieben in Lateinamerika oder Familienbetrieben in der Schweiz.
Ein Beispiel für die Anwendung von RISE ist die Zusammenarbeit zwischen der Tierschutzorganisation ProTier und der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL). Dabei wurde RISE erstmals gezielt auf Lebenshöfe angewendet – Betriebstypen, die in herkömmlichen Nachhaltigkeitsbewertungen bisher wenig berücksichtigt wurden.
Ein teilnehmender Betrieb war der Lebenshof «Einfach Sein». Die Analyse umfasste ein Vorgespräch, die Betriebsbesichtigung mit Interview, eine schriftliche Auswertung durch die HAFL und ein abschliessendes Feedbackgespräch. Auf Basis der Resultate erhielt der Hof eine Übersicht seiner Stärken und Hinweise auf mögliche Verbesserungsbereiche. Dank der Teilnahme an der RISE-Nachhaltigkeitsanalyse konnte die Betriebsleiterin des Lebenshofs «Einfach Sein» erkennen, wo die Stärken ihres Betriebs liegen und wo es noch Entwicklungspotenzial gibt. Sie beschreibt die Analyse als sehr hilfreiche Standortbestimmung und als Bestätigung, dass ihr Hof sich auf einem guten Weg befindet.
Der Zeitaufwand für die Betriebe lag bei rund acht Stunden, die Analyse selbst wurde innerhalb eines Monats abgeschlossen. Für die Höfe bot die Teilnahme eine strukturierte Auseinandersetzung mit betrieblichen Nachhaltigkeitsthemen sowie Anregungen zur Weiterentwicklung – stets auf freiwilliger Basis und mit vertraulichem Umgang der Daten. ProTier unterstützte das Projekt finanziell für einzelne Betriebe.
Präsentation der Ergebnisse
Nach der Analyse erhalten die Betriebsleitenden einen kommentierten Nachhaltigkeitsbericht von der Beratungsperson. Dieser Bericht fasst die wichtigsten Ergebnisse der zehn Themenbereiche zusammen und enthält erste Einschätzungen zu möglichen Handlungsfeldern. Ein zentrales Element ist das Nachhaltigkeitspolygon, das alle Themenbereiche grafisch in einer Gesamtübersicht darstellt. Ergänzend werden tabellarische Darstellungen verwendet, um die einzelnen Indikatorwerte sowie deren Bewertung nachvollziehbar darzustellen.

Bei Bedarf kann zusätzlich ein detaillierter Ergebnisbericht mit sämtlichen Indikatorwerten erstellt werden.
Zur Weiterarbeit stehen unterschiedliche Hilfsmittel zur Verfügung. Standardmässig wird ein Arbeitsheft angeboten, das Vorlagen für eine SWOT-Analyse, die Entwicklung und Priorisierung von Massnahmen sowie Planungshilfen enthält. Alternativ können auch Karten eingesetzt werden, die den Einstieg in die Reflexion und Strukturierung möglicher Massnahmen unterstützen. Es unterstützt die Betriebsleitung dabei, konkrete nächste Schritte zu planen – im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Zielsetzungen.
Rückmeldungen
- Ganzheitlicher Ansatz: RISE berücksichtigt ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeitsaspekte in einer integrierten Systematik.
- Dialogorientiert: Die Anwendung erfolgt im Austausch mit der Betriebsleitung und fördert Reflexion und Lernen.
- Praxisnah: Die Ergebnisse sind verständlich aufbereitet und bieten konkrete Anhaltspunkte für Verbesserungen.
- Internationale Erprobung: Das Tool wurde weltweit auf unterschiedlichsten Betrieben eingesetzt und entsprechend weiterentwickelt.
- Flexible Software: Die verwendete PSAM-Softwareplattform unterstützt die strukturierte Datenerfassung, Analyse und Berichterstellung in verschiedenen Anwendungskontexten, Datenimport von bestehenden Datensystemen.
- Zeit- und Personalaufwand: Die Durchführung einer vollständigen Analyse ist zeitintensiv und setzt geschultes Personal voraus. Neu können auch nur noch Teile der Analyse durchgeführt werden.
- Abhängigkeit von der Interviewqualität: Die Aussagekraft der Ergebnisse hängt von der Qualität des Interviews und der Datenerhebung ab.
- Begrenzte Skalierbarkeit: Die individuelle Durchführung ist bei grossen Betriebszahlen oder Programmen organisatorisch anspruchsvoll.
- Schnittstellen zu bestehenden Datensystemen: Mehr automatische Anbindungsmöglichkeiten an bestehende Betriebsmanagement- oder Erfassungssysteme wären wünschenswert, um den Erhebungsaufwand zu verringern.
- Anpassungsbedarf an regionalen Kontext: Bewertungsfunktionen und Vergleichswerte müssen teilweise regional angepasst werden, um lokale Bedingungen angemessen zu berücksichtigen.
Geplante Entwicklungen / Verbesserungspotenziale
- Weiterentwicklung des Indikatorensystems: Die Überprüfung und Anpassung des Indikatorensets sowie der Berechnungsvarianten ist als kontinuierlicher Prozess vorgesehen. Bei Bedarf werden neue Indikatoren ergänzt oder bestehende Varianten erweitert, um die Aussagekraft und Anwendbarkeit laufend zu verbessern.
- Ausbau grafischer Ergebnisdarstellung: Die neue Softwareversion ermöglicht eine verbesserte, anschaulichere Visualisierung der Resultate, um die Interpretation und betriebliche Nutzung zu erleichtern.
- Sprachliche Erweiterung: Weitere Sprachversionen der Software sind geplant, um die internationale Anwendung zu erleichtern und bestehende Nutzergruppen besser zu unterstützen.
- Online-Selbstlernkurse: Über Moodle werden digitale Lernangebote aufgebaut, um interessierten Personen einen orts- und zeitunabhängigen Zugang zu Schulungsinhalten zu ermöglichen und die Reichweite zu erhöhen.
Wichtigste Erkenntnisse aus der Entwicklung oder Anwendung des Instruments
- Gemeinsames Nachhaltigkeitsverständnis ist wichtig: Indem man ein gemeinsames Verständnis von nachhaltiger Entwicklung und Landwirtschaft entwickelt, vermeidet man, dass der Begriff «Nachhaltigkeit» nur zur vordergründigen PR genutzt wird. Durch die Beschäftigung mit dem Thema werden Zusammenhänge bewusst, es entsteht Bewusstsein und eine intrinsische Motivation zu nachhaltiger Entwicklung.
- Nachhaltigkeit ist Teamarbeit: Ein ganzheitlicher Nachhaltigkeitsansatz in der Landwirtschaft gelingt nur im Zusammenspiel verschiedener Akteure – Betriebsleitung, Wissenschaft, Verwaltung, Unternehmen und Beratung müssen zusammenwirken.
- Verbindung mit der Betriebsstrategie: Nachhaltigkeit lässt sich nicht isoliert betrachten, sondern steht in engem Zusammenhang mit der übergeordneten Strategie des Betriebs.
- Freiwilligkeit und politische Rahmenbedingungen: Eine nachhaltige Entwicklung auf Betriebsebene sollte aus eigenem Antrieb erfolgen. Gleichzeitig sind unterstützende politische Rahmenbedingungen entscheidend – etwa durch Energie-, Handels- oder Agrarpolitik. Die gezielte Förderung von Nachhaltigkeitsberatung durch staatliche Programme und Institutionen ist dabei unerlässlich, um Betriebe wirksam zu begleiten.
Weiterführende Informationen …
| Dokumentarische Referenzen | Informationsbroschüren, Veröffentlichungen und Anwendungsberichte auf der BFH-Website |
| Projektreferenzen | |
| Kontaktperson(en) | RISE-Team, HAFL, Berner Fachhochschule rise.hafl@bfh.ch Jan Grenz, Leiter Nachhaltigkeitsgruppe +41 31 910 21 99 jan.grenz@bfh.ch Christian Thalmann, Projektleiter RISE/PSAM +41 31 910 21 31 christian.thalmann@bfh.ch Veronika Zbinden, Wissenschaftliche Mitarbeiterin +41 31 910 29 73 veronika.zbinden@bfh.ch |
Impressum
Autor: Gregory Métrailler, AGRIDEA
Zusammenarbeit: Orlando Scholz, Astrid Gerz, Franziska Hoffet, Lisa Nilles, AGRIDEA; Verantwortliche oder Partner der Instrumente
Web Support: Solomon Araya, AGRIDEA
Titelbild: Gregory Métrailler